Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 Abs. 2, 3 WEG, § 21 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB
Kommentar
a) Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass bauliche Veränderungen der schriftlichen Einwilligung des Verwalters bedürfen, so ist diese Einwilligung in der Regel nur als zusätzliches Erfordernis anzusehen, welches neben die Zustimmung der durch die Veränderungen beeinträchtigten Wohnungseigentümer tritt (hier ging es um den Einbau einer zusätzlichen Tür in eine Wohnung vom Treppenhaus aus). § 22 WEG ist abdingbar, etwa auch in der Weise, dass für die Zulässigkeit von baulichen Veränderungen ein Mehrheitsbeschluss ausreicht, eine Vereinbarung, die hier jedoch nicht getroffen wurde. Trotz Einwilligung des Verwalters war hier der genehmigende Mehrheitsbeschluss auf Anfechtung hin für ungültig zu erklären. Eine zusätzlich vereinbarte Verwalterzustimmung stellt keine Erleichterung gegenüber § 22 WEG dar, sondern eine Erschwerung (vgl. zu ähnlicher Regelung BayObLG, ZMR 1991, 231/232). Auch wenn der Verwalter hier seine Zustimmung unabhängig von einem Beschluss der Wohnungseigentümer erteilt, ist diese Zustimmung allein nicht ausreichend, die Zulässigkeit der baulichen Veränderung zu begründen. Zusätzlich müssen die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 WEG erfüllt sein.
b) Ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümer, der eine über die ordnungsgemäße Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgehende bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG genehmigt, ist auf Antrag ohne weiteres für ungültig zu erklären, ohne dass der Anfechtende durch die bauliche Maßnahme beeinträchtigt sein muss.
c) Ob das Anbringen von Fahrradständern eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG darstellt, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.
Widerspricht - wie hier - das Abstellen von Fahrrädern und das Anbringen von Fahrradständern an einer bestimmten Stelle dem architektonischen Gesamteindruck der Wohnanlage, so ist ein Eigentümerbeschluss, der dies genehmigt, für ungültig zu erklären. Ist die Anbringung von Fahrradständern vor dem Eingangsbereich der Häuser als eine über die ordnungsgemäße Instandsetzung hinausgehende bauliche Maßnahme zu beurteilen (hier: insbesondere Sichtbeeinträchtigung, Spiegelung unmittelbar vor den Glasfronten des Eingangsbereichs), so ist eine solche Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG von vornherein einem Mehrheitsbeschluss entzogen.
d) Der gerichtlichen Verfügung, eine bauliche Veränderung zu beseitigen, steht ein Eigentümerbeschluss, der diese bauliche Veränderung genehmigt, dann nicht entgegen, wenn er spätestens mit dem Beseitigungsausspruch rechtskräftig für ungültig erklärt wird.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 06.03.1997, III ZR 248/95( BayObLG, Beschluss v. 18. 7. 1991, Az.: BReg 2 Z 64/91)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Etwas überraschend für mich ist die Feststellung des Senats, dass jegliche baulichen Maßnahmen, die über eine ordnungsgemäße Instandsetzung hinausgehen (wie hier bei der Anbringung zusätzlicher Fahrradständer vor dem Eingangsbereich bei unzweifelhaftem Bedarf an Fahrradabstellmöglichkeiten in dieser Gemeinschaft), stets von vornherein einem Mehrheitsbeschluss entzogen seien und ein solcher Beschluss auf rechtzeitige Anfechtung für ungültig zu erklären sei, ohne dass es auf eine konkrete Beeinträchtigung des anfechtenden Eigentümers im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 WEG ankäme. Begründet wird dann diese Feststellung noch mit der aus dem Gesetz ableitbaren Folge, dass andernfalls alle Eigentümer nach § 10 Abs. 3 WEG an den Beschluss gebunden seien und eine Beseitigung der Veränderungen nicht mehr verlangen könnten, selbst wenn sie im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 WEG beeinträchtigt wären. Im vorliegenden Fall ging es doch wohl auch um eine gebrauchsregelnde Beschlussentscheidung bezüglich des gemeinschaftlichen Grundstücksteils vor dem Haus, also um etwaige Fragen des § 15 Abs. 2 WEG (der überhaupt nicht angesprochen wurde). Solche und ähnliche (i. Ü. häufige) Mehrheitsentscheidungen werden eben für alle Eigentümer und Nachfolger ohne fristgemäße Beschlussanfechtung verbindlich und bindend. Fühlt sich ein Eigentümer durch eine solche Maßnahme beeinträchtigt, kann und muss er einen solchen Beschluss eben anfechten und hat dann auch im Erfolgsfall (bei gerichtlich bestätigter Nachteilswirkung und verneinter Duldungspflichten bzw. bestätigtem Verstoß gegen den Grundsatz ordnungsgemäßen Gebrauchs - wie hier nach Sachverhalt sicher zu Recht -) die Möglichkeit, Beseitigungsanträge zu stellen. Die Beeinträchtigung richtet sich hier einmal nach Grundsätzen der h. R. M. zur Frage der Nachteilswirkung bzw. Duldungspflicht baulicher Veränderungen ( § 14 WEG i. V. m. § 22 Abs. 1 WEG) bzw. bei § 15 nach dem Kriterium eines "ordnungsgemäßen Gebrauchs" bzw. "dem Interesse der Gesamtheit der Eigentümer nach billigem Ermessen". Auch unnötige Kostenmitbelastungen eines bestandskräftig werdenden, alle Eigentümer bindenden Beschlusses können sich als Beeintr...