A. Sicherheitsabstand
Rz. 1
Die StVO enthält - außer in § 4 Abs. 3 StVO für den von Lkws über 3,5 t und Omnibussen bei Geschwindigkeiten von mehr als 50 km/h einzuhaltenden Abstand von mindestens 50 m - keine genauen Regeln für den zum Vordermann einzuhaltenden Abstand.
Rz. 2
Die Praxis hilft sich mit dem halben Tachowert (AG Homburg DAR 1998, 31), wovon auch die Bußgeldkatalogverordnung in ihrer Tabelle 2 ausgeht.
Rz. 3
Jedenfalls darf der Sicherheitsabstand auf einer Schnellstraße den Weg nicht unterschreiten, den das Fahrzeug in 1,5 Sekunden zurücklegt (OLG Köln VRS 1967, 286; OLG Düsseldorf VRS 1974, 451).
Rz. 4
Vom eigentlichen Sicherheitsabstand zu unterscheiden ist der gefährdende Abstand, der vorliegt, wenn der Abstand geringer ist als die in 0,8 Sekunden durchfahrene Strecke (OLG Köln NZV 1992, 371).
Rz. 5
Achtung: Mindeststrecke
Eine vorwerfbare Pflichtverletzung liegt nur dann vor, wenn der vorgeschriebene Abstand nicht nur vorübergehend (z.B. weil der Vordermann plötzlich abgebremst oder die Fahrspur gewechselt hat) unterschritten wurde (BGH NJW 1969, 939; OLG Hamm zfs 2015, 711; OLG Rostock NZV 2015, 405; OLG Karlsruhe zfs 2016, 531).
Streitig ist, ob nachgewiesen werden muss, dass der Betroffene nicht nur im eigentlichen Messbereich, sondern auch über eine Strecke von mindestens 150 bis 200 m den Sicherheitsabstand unterschritten hat (so z.B. OLG Zweibrücken zfs 1999, 359; OLG Stuttgart, DAR 2007, 657; OLG Hamm Beck RS 12, 20799, das in DAR 2013, 656 ein Unterschreiten um mindestens 3 Sekunden oder über eine Strecke von 140 m fordert) oder ob ein auch nur kurzzeitiges Unterschreiten ausreicht wie es die Oberlandesgerichte Koblenz (zfs 2016, 654) und Oldenburg (NZV 2018, 54) ausreichen lassen.
Rz. 6
Als Sicherheitsabstand ist zwar mindestens der halbe Tachowert einzuhalten, die Bußgeldbewehrung setzt jedoch erst ein, wenn dieser Wert um mindestens die Hälfte unterschritten wird und führt in weiteren Stufen von 4/10, 3/10 und 2/10 und 1/10 zu Punkten und Bußgeldern. Ab einer Unterschreitung von 3/10 des halben Tachowertes bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h wird ein Regelfahrverbot von einem Monat, ab einer Unterschreitung von 2/10 von zwei Monaten und ab 1/10 drei Monate Fahrverbot verhängt (wenn nicht im konkreten Einzelfall gar der Tatbestand der Nötigung erfüllt ist).
Achtung: Dichtes Auffahren des Hintermannes
Macht der Beschuldigte mit dem Verweis auf die bedrängende Fahrweise des Hintermannes einen übergesetzlichen Notstand geltend, wird dies in der Regel deshalb keinen Erfolg haben, weil im Polizeivideo eine Fahrstrecke von mindestens 300-400 m zu ersehen ist und eine Abstandsunterschreitung für eine so große Strecke nicht zu entschuldigen ist (OLG Bamberg NZV 2016, 445).
B. Messverfahren
Rz. 7
Die in der Praxis häufigsten Messverfahren sind das Brückenabstandsmessverfahren mit Traffipax oder Distanova (OLG Frankfurt DAR 1978, 169), bzw. Auswertungssoftware (OLG Stuttgart DAR 2007, 657), das Videoabstandsmessverfahren (VAMA, OLG Hamburg NZV 1994, 120; OLG Saarbrücken VRS 118, 268), VKS (OLG Dresden DAR 2005, 637) bzw. BAMAS (OLG Karlsruhe NStZ RR 2011, 61) oder Abstandsmessungen aus einem vorausfahrenden oder nachfolgenden und mit einer Videoanlage ausgerüsteten Polizeifahrzeug. Diese Verfahren sind grundsätzlich anerkannt (OLG Hamm DAR 1996, 382; OLG Celle VRS 1981, 210); speziell beim Nachfahren sind an die Überprüfungspflicht des Richters allerdings erhöhte Anforderungen zu stellen (OLG Hamm zfs 2006, 351; zfs 2009, 470; OLG Jena DAR 2011, 413).
C. Brückenmessverfahren
I. Allgemein
Rz. 8
Bei Brückenmessverfahren werden verschiedene Messsysteme (z.B. VKS, Vama etc.) eingesetzt, die sich jedoch sehr ähneln. Der auflaufende Verkehr wird bei diesem Verfahren auf Video aufgenommen und der von dem Nachfolgenden eingehaltene Abstand anhand der Zeitdifferenz zwischen ihm und dem Vordermann und der gleichzeitig ermittelten Geschwindigkeit errechnet (zu Einzelheiten siehe unten, Rdn 15).
Um nachzuweisen, dass es sich nicht nur um eine ganz kurzfristige oder vom Vordermann verschuldete Abstandsunterschreitung gehandelt hat, wird eine größere, bereits vor der eigentlichen Messung liegende Strecke aufgenommen. Die Messung selbst erfolgt jedoch auf der kurz vor der Brücke liegenden Messstrecke von 50 m, die durch entsprechende Striche am linken Fahrbahnrand markiert ist. Da die Videokameras meist hinter einem am Brückengeländer angebrachten Schild versteckt und das Polizeifahrzeug nicht zu sehen ist, bekommen die meisten Betroffenen von der eigentlichen Messung nichts mit. Sie bemerken erst die unter der Brücke installierte Wiedererkennungskamera, was zu entsprechenden Bremsvorgängen führt mit der Folge, dass sich die Beschuldigten (und nicht selten auch ihre Verteidiger) in ihrer Verteidigung auf die durch die plötzliche Bremsung des Vordermannes eingetretene Abstandsverkürzung konzentrieren. Dabei dient diese Aufnahme nur der Wiedererkennung und spielt im Übrigen bei der Abstandsmessung keine Rolle.
II. Verfassungsgemäß?
1. Gesetzliche Grundlage
Rz. 9
In einem Brückenabstandsmessverfahren, in...