I. Grund für die Auslandsbeurkundung
Rz. 88
Bei der Beurkundung eines Kaufvertrages über GmbH-Geschäftsanteile sowie der Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH richten sich die Notargebühren nach dem vereinbarten Kaufpreis für den gesamten Geschäftsbetrieb. Seit 1.7.2004 wurde zwar durch das erste Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eine allgemeine Geschäftswertobergrenze von 60 Mio. EUR für die Beurkundung von Verträgen eingeführt (§ 35 Abs. 2 GNotKG). Dennoch besteht nach wie vor bei hohen Geschäftswerten ein gewisser Anreiz für eine Beurkundung im Ausland. Die in der Schweiz anfallenden Notarkosten richten sich nach der vertraglichen Vereinbarung mit dem Notar. Sie werden nach der Bedeutung des Rechtsgeschäfts, Aufwand und Zeit bestimmt, sodass die Gebühren unterhalb der nach dem Gegenstandswert ausgerichteten Gebühren deutscher Notare liegen können.
Beispiel
Für die Beurkundung eines GmbH-Anteilskaufs über 169 Mio. EUR in Deutschland mit dem maximalen Geschäftswert von 60 Mio. EUR fällt gem. §§ 34 GNotKG i.V.m. 21100 KV eine 2,0 Gebühr i.H.v. 53.170,00 EUR (zzgl. Auslagen und USt) an. Für eine getrennte Beurkundung der Anteilsübertragung (zum Closing) bei demselben Notar wird eine weitere 0,5 Gebühr erhoben, insgesamt also 66.462,50 EUR zzgl. Auslagen und USt. Eine Beurkundung derselben Vorgänge in Basel (Anteilskaufvertrag, davon getrennte Anteilsübertragung, zwei Termine, Beurkundungszeit 14 Stunden) kann dagegen erfahrungsgemäß zu deutlich niedrigeren Gebühren führen.
Hinweis
Da der Anwalt unter mehreren gleich sicheren Varianten die für den Mandanten kostengünstigste Lösung empfehlen muss, muss eine Beurkundung in der Schweiz dem Mandanten bei Anteilskäufen als Alternative zur Inlandsbeurkundung vorgestellt werden. Dies gilt insbesondere, nachdem der BGH mit Beschl. v. 17.12.2013 (II ZB 6/13) die Baseler Auslandsbeurkundung bei Verkäufen und Übertragungen von GmbH-Anteilen ausdrücklich anerkannt hat. Die gegenteiligen Stimmen im Schrifttum, die versucht hatten, die Wirksamkeit derartiger Auslandsbeurkundungen anzugreifen, sind damit überholt.
Da Auslandsbeurkundungen in der Praxis ganz überwiegend in der Schweiz erfolgen, weil das Restrisiko bei Beurkundungen in anderen Ländern ungleich höher ist, wird im Folgenden nur die Rechtslage in Bezug auf schweizerische Beurkundungen dargestellt.
II. Ausgangspunkt: Art. 11 Abs. 1 EGBGB
Rz. 89
Den rechtlichen Ausgangspunkt für die Frage nach der Wirksamkeit von Auslandsbeurkundungen bildet Art. 11 Abs. 1 EGBGB. Danach ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des auf das Rechtsgeschäft anwendbaren Rechts ("Geschäftsform" bzw. "Wirkungsstatut") oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird ("Ortsform"). Grds. besteht ein Wahlrecht zwischen Geschäfts- und Ortsform. Beide stehen gleichrangig nebeneinander. Wenn allerdings das Recht des Vornahmeortes ein derartiges Rechtsgeschäft gar nicht kennt, also eine Ortsform nicht bereithält, ist allein das Geschäftsrecht maßgeblich (sog. "Formenleere").
Für die Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge stellen sich insb. zwei Fragen:
▪ |
Zum einen ist umstritten, ob das in Art. 11 Abs. 1 EGBGB statuierte Wahlrecht überhaupt für die Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge gilt oder ob hier von vornherein nur die Geschäftsform – also i.d.R. deutsches Recht – maßgeblich ist. |
▪ |
Zum anderen ist fraglich, ob die Geschäftsform im Wege der sog. "Substitution" auch durch eine Auslandsbeurkundung, insb. durch eine Beurkundung in der Schweiz gewahrt werden kann. |
III. Anwendbarkeit der Ortsform
Rz. 90
In Rspr. und Lit. ist umstritten, ob bzw. in welchem Umfang das Wahlrecht in Art. 11 Abs. 1 EGBGB auf die Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge anwendbar ist.
Rz. 91
Im Schrifttum bestehen im Wesentlichen drei Auffassungen:
Nach der ersten Ansicht gilt Art. 11 Abs. 1 EGBGB uneingeschränkt auch im Gesellschaftsrecht, da Art. 11 Abs. 4 EGBGB seinem Wortlaut nach nur für sachenrechtliche Geschäfte, nicht aber für gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte eine Ausnahme vorsieht. Demnach wäre die Einhaltung der Ortsform ausreichend, solange keine "Formenleere" vorliegt. Dies ist für die auch im schweizerischen Recht bekannte Übertragung von GmbH-Anteilen nicht der Fall.
Nach einer anderen Auffassung soll das Ortsrecht im Bereich des Gesellschaftsrechts nicht anwendbar sein. Diese Ansicht stützt sich zur Begründung entweder auf eine Analogie zu Art. 11 Abs. 4 EGBGB (der frühere Art. 11 Abs. 5 EGBGB) und/oder allgemein auf Aspekte der Rechtssicher...