Rz. 95
Unabhängig davon, ob man die Ortsform im Gesellschaftsrecht gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB für ausreichend hält oder nicht, kann auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar der nach deutschem Wirkungsstatut erforderlichen notariellen Beurkundung (z.B. nach § 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG) genügen. Grds. können die Tatbestandsmerkmale einer deutschen Sachnorm auch im Ausland verwirklicht werden. Voraussetzung einer solchen "Substitution" ist, dass das ausländische Rechtsinstitut oder Rechtsgeschäft dem inländischen gleichwertig ist. In Bezug auf eine nach deutschem Recht erforderliche notarielle Beurkundung ist Gleichwertigkeit nach der Rspr. des BGH gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson
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nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und |
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für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht. |
Folglich muss die Gleichwertigkeit hinsichtlich der Urkundsperson selbst und hinsichtlich des ausländischen Verfahrensrechts bestehen.
Rz. 96
Zu welchem Ergebnis die Anwendung dieser Kriterien auf einen schweizerischen Notar führt, ist wiederum umstritten.
Diejenigen Stimmen in der Lit., die bereits die Anwendbarkeit der Ortsform auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge generell bejahen, stellen auch keine strengen Anforderungen an die Frage der Gleichwertigkeit. Nur wesentliche, unverzichtbare Regeln des deutschen Beurkundungsverfahrens müssten im Ausland ein annäherndes Pendant finden, während etwa die Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 BeurkG verzichtbar sei. Dieser Auffassung hat sich der BGH in seinem Beschl. v. 17.12.2013 (II ZB 6/13) angeschlossen und die Wirksamkeit einer Beurkundung in Basel-Stadt damit bestätigt. Insbesondere mit Blick auf § 17 Abs. 1 BeurkG hat der BGH bestätigt, dass ein solcher Verzicht anzunehmen ist, wenn ein ausländischer Notar aufgesucht wird, von dem regelmäßig eine genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts und deshalb eine umfassende Belehrung von vornherein nicht erwartet werden kann. Nach der Rspr. (und der herrschenden Auffassung im Schrifttum) sind damit jedenfalls Beurkundungen durch Notare im Kanton Basel-Stadt, richtigerweise aber auch in den Kantonen, Bern, Zürich, Zug, Luzern und Genf als gleichwertig anzusehen.
Nach der Auffassung, die das Ortsstatut von vornherein ausschließt, sind strengere Anforderungen an die Gleichwertigkeit zu stellen. Teilweise werden Bedenken gegen die Vorbildung der schweizerischen Notare im Vergleich zu derjenigen der deutschen Notare erhoben. Insb. wird aber das Beurkundungsverfahren in der Schweiz kritisiert, da das Verlesen der Urkunde nicht zwingend vorgeschrieben sei. Zudem könne ein schweizerischer Notar, der zumindest keine weit reichenden Kenntnisse des deutschen Rechts habe, nicht der unverzichtbaren Prüfungs- und Belehrungspflicht des § 17 BeurkG genügen. Weiterhin wird die Ungleichwertigkeit der Beurkundung durch einen schweizerischen Notar noch an dessen mangelnder Haftung festgemacht. Diese schlössen schweizerische Notare in Fällen der Auslandsbeurkundung nämlich regelmäßig aus, was deutschen Notaren verboten sei. Mangels Gleichwertigkeit wäre nach dieser Ansicht die Beurkundung einer Anteilsabtretung durch einen schweizerischen Notar – gleich welchen Kantons – unwirksam. Der BGH hat dieser Auffassung im Beschl. v. 17.12.2013 eine klare Absage erteilt.
Einzelne Vertreter der vermittelnden Meinung in der Lit. differenzieren auch hinsichtlich der Vergleichbarkeit nach der Statusrelevanz des Rechtsgeschäfts. Während bei nicht statusrelevanten Rechtsgeschäften, wie etwa Anteilsabtretungen, keine zu hohen Anforderungen an die Gleichwertigkeit gestellt werden, wird bei statusrelevanten Geschäften der Prüfungs- und Belehrungsfunktion des Notars große Bedeutung beigemessen und dementsprechend die Vergleichbarkeit verneint.
Rz. 97
Für die Praxis entscheidend ist letztlich bei Formfragen die einschlägige Rspr. Auch in der Rspr. wird die Gleichwertigkeit von Beurkundungen in der Schweiz uneinheitlich beurteilt.
In seinem Beschl. v. 16.2.1981 hat der BGH die von einem Züricher Notar vorgenommene Beurkundung einer Satzungsänderung für gleichwertig erachtet. In Zürich liege das Beurkundungswesen in den Händen eines gut ausgebildeten Beamtennotariats, dessen Mitglieder nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben dem deutschen Notar gleichwertig seien. Auch das Beurkundungsverfahren entspreche in wesentlichen Punkten dem deutschen Recht. Die in § 17 BeurkG vorgesehene Prüfungs- und Belehrungsfunktion des Formerfordernisses stehe nicht entgegen; diese sei nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Beurkundung, sondern verzichtbar.
Diese Auffassung hat der BGH in einem Urt. v. 22.5.1989 im Hinblick auf eine Abtretung von GmbH-Anteilen bestätigt und auf sämtliche schweizerische Notare ausgedehnt – wenn auch nur durch einen knappen Verweis au...