Rz. 312

Die EuEheVO ist in Kindschaftssachen im Verhältnis zu anderen EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu beachten.

 

Rz. 313

Gem. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der Begriff der elterlichen Verantwortung ist in Art. 2 Nr. 7 der Verordnung definiert; danach bedeutet "elterliche Verantwortung" die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden. Elterliche Verantwortung umfasst insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht.

 

Rz. 314

Die Verordnung kennt drei Ausnahmen von dieser grundsätzlichen Regelung der internationalen Zuständigkeit:

 

Rz. 315

Beim rechtmäßigen Umzug eines Kindes von einem Mitgliedstaat in einen anderen, durch den es dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt, verbleibt abweichend von Art. 8 die Zuständigkeit für eine Änderung einer vor dem Umzug des Kindes in diesem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über das Umgangsrecht während einer Dauer von drei Monaten nach dem Umzug bei den Gerichten des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, wenn sich der laut der Entscheidung über das Umgangsrecht umgangsberechtigte Elternteil weiterhin gewöhnlich in dem Mitgliedstaat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes aufhält (Art. 9 Abs. 1). Dies gilt nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung nur dann nicht, wenn der Elternteil, der in dem früheren Aufenthaltsstaat des Kindes zurückbleibt, sich auf das Verfahren im neuen Aufenthaltsstaat des Kindes ohne Rüge einlässt.
 

Rz. 316

Wurde der Wechsel des Aufenthalts des Kindes durch eine widerrechtliche Verbringung oder Zurückhaltung des Kindes bewirkt, bleiben die Gerichte des ursprünglichen Aufenthaltsstaates für alle Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, international zuständig. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich entweder alle Sorgeberechtigten nachträglich mit dem Aufenthaltswechsel einverstanden erklären oder wenn während eines Jahres nach dem Verbringen oder Zurückhalten des Kindes kein Antrag auf Kindesrückführung gestellt beziehungsweise ein solcher zurückgewiesen wurde (vergleiche Art. 10 der Verordnung).
 

Rz. 317

Letztlich bietet Art. 12 der Verordnung den Eltern die Möglichkeit, eine Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit für Verfahren der elterlichen Verantwortung zu treffen.
 

Rz. 318

In Ausnahmefällen und sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, kann das Gericht eines Mitgliedstaats, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, gem. Art. 15 der Verordnung in dem Fall, dass seines Erachtens ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats, zu dem das Kind eine besondere Bindung hat, den Fall oder einen bestimmten Teil des Falls besser beurteilen kann, die Prüfung des Falls oder des betreffenden Teils des Falls aussetzen und die Parteien auffordern,

beim Gericht dieses anderen Mitgliedstaats einen Antrag gemäß Art. 15 Abs. 4 zu stellen,
oder ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats ersuchen, sich gemäß Art. 15. Abs. 5 für zuständig zu erklären.
 

Rz. 319

Findet die EuEheVO keine Anwendung, ist das Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) vom 19.10.1996 zu berücksichtigen, welches in Deutschland am 1.1.2011 in Kraft getreten ist. Dem Übereinkommen gehören bereits mehrere Staaten weltweit an, so u.a. die Schweiz, Dänemark, Russland, die Ukraine und Australien.

 

Rz. 320

Das Verhältnis zwischen dem KSÜ und der EuEheVO ist in den Art. 61, 62 EuEheVO, Art. 52 KSÜ geregelt. Nach Art. 61 lit. a EuEheVO sind die Zuständigkeitsvorschriften der EuEheVO vorrangig, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat (mit Ausnahme Dänemarks).

 

Rz. 321

Im Verhältnis zur Türkei gilt das durch das KSÜ ersetzte Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5.10.1961 (MSA) fort, da diese nicht Vertragsstaat des KSÜ ist.

 

Rz. 322

Sind weder die EUEheVO noch das KSÜ oder das MSA anzuwenden, ergibt sich in den Fällen, in denen das Scheidungsverfahren der Eltern in Deutschland geführt wird, das Kind aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt weder in einem der EU-Staaten (mit Ausnahme von Dänemark) noch in einem Vertragsstaat des KSÜ oder des MSA hat, die internationale Zuständigkeit des Gerichts aus der Verbundzuständigkeit gem. § 98 Abs. 2 FamFG.

 

Rz. 323

In allen anderen Fällen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus § 99 FamFG. Danach sind die deutschen Gerichte für Kindschaftssachen international zuständig, wenn das Kind entweder Deutscher ist, oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder es der Fürsorge durch ein deutsches Gericht bedarf.

 

Rz. 324

Hinsichtlich des anwendbaren materiellen R...

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