Dr. Birgit Wilhelm-Lenz, Jochem Schausten
1. Wahl der Veranlagungsart nach § 26 Abs. 1 EStG
Rz. 133
Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, können dann, wenn sie nicht dauernd getrennt leben, die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer wählen. Dies hat zur Folge, dass die Einkünfte beider Parteien addiert werden und die Eheleute so behandelt werden, als seien sie ein Steuerpflichtiger. Die Anwendung des Splittingtarifs führt regelmäßig, aber nicht immer, zu einem geringeren Gesamtsteueraufkommen der Eheleute.
Rz. 134
Der steuerliche Begriff des "Getrenntlebens" stimmt nicht mit dem familienrechtlichen Begriff überein. Steuerrechtlich ist es ausreichend, wenn die Eheleute nur für wenige Tage im Kalenderjahr zusammengelebt haben, um sich gemeinsam veranlagen lassen zu können.
Rz. 135
Die gemeinsame Veranlagung ist daher möglich, wenn:
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die Parteien sich am 21.1.2017 trennen: für den Veranlagungszeitraum 2017, |
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die Parteien sich am 22.12.2017 trennen und während der Weihnachtsfeiertage 2017versöhnen, sich aber wieder Silvester 2017 trennen: für den Veranlagungszeitraum 2017, |
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einer der Ehegatten am 1.1.2018 stirbt: für den Veranlagungszeitraum 2018 |
Rz. 136
Tipp
Wird der Anwalt im letzten Quartal eines Jahres wegen der Probleme einer anstehenden Trennung mandatiert, so sollte er den Mandanten auf diese steuerlichen Vorteile einer Trennung im Januar des Folgejahres gegenüber der Trennung im Dezember des ablaufenden Jahres hinweisen!
Rz. 137
Geben die Eheleute keine Erklärung über die Art der Veranlagung ab, so unterstellt das Finanzamt, dass sie die Zusammenveranlagung wählen (§ 26 Abs. 3 EStG). Wählt ein Ehegatte die getrennte Veranlagung, so wird getrennt veranlagt.
Rz. 138
Hinweis
Stellt derjenige Ehegatte, der keine positiven oder negativen Einkünfte erzielt hat oder nur so geringe positive Einkünfte erzielt hat, dass weder eine Einkommensteuer festzusetzen ist, noch die Einkünfte einem Steuerabzug zu unterwerfen sind, einen einseitigen Antrag auf getrennte Veranlagung, so ist dieser Antrag rechtsunwirksam. Das Finanzamt führt von Amts wegen eine gemeinsame Veranlagung durch und es bedarf keines Antrags auf Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung.
Rz. 139
Die getrennte Veranlagung wird meist mit der Begründung gewählt, dass zusammenveranlagte Ehegatten als Gesamtschuldner für die Steuerschuld haften (§ 44 Abs. 1 AO), wodurch ein Haftungsrisiko des mitveranlagten Ehegatten für die Steuerschulden seines Partners entsteht.
Rz. 140
Tipp
Nach Bekanntgabe des Steuerbescheides kann jeder Ehegatte einen Aufteilungsbescheid bei dem für ihn zuständigen Finanzamt stellen und beantragen, dass die Vollstreckung der Steuerschuld jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich bei einer fiktiven getrennten Veranlagung ergeben würde (§§ 268 ff. AO).
Rz. 141
Werden die Ehegatten gemeinsam veranlagt, so sind sie nicht Gesamtgläubiger des Steuererstattungsanspruchs (obwohl sie Gesamtschuldner einer Steuerforderung sind!). Das Finanzamt kann so lange mit befreiender Wirkung an einen der beiden Ehegatten zahlen (§ 36 Abs. 4 S. 3 EStG), wie es keine positive Kenntnis davon hat, dass die Eheleute getrennt leben.
Rz. 142
Tipp
Das Finanzamt sollte möglichst unverzüglich davon informiert werden, dass die Eheleute sich getrennt haben, um die befreiende Wirkung der Zahlung an den anderen Ehegatten zu verhindern.
Rz. 143
Davon unabhängig ist die Frage, wem die Steuererstattung im Innenverhältnis der Ehegatten zusteht:
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Erzielt nur einer der Partner steuerpflichtige Einkünfte, so hat er die Steuerlast allein zu tragen. Steuererstattungen stehen ihm allein zu; HinweisDer andere Ehegatte partizipiert aber mittelbar an der Steuererstattung, indem sie bei der Ermittlung des unterhaltsrelevanten Einkommens berücksichtigt wird: Die Steuererstattung erhöht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten in dem Jahr, in welchem die Erstattung gezahlt wird, monatlich um 1/12 des erstatteten Betrags. |
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erzielen beide positive steuerpflichtige Einkünfte, so ist umstritten, wie die Steuererstattung aufzuteilen ist. Vertretbar ist es, anhand einer fiktiven getrennten Veranlagung die Steuererstattungen aufzuteilen. Es wird auch vertreten, auf die während der Dauer des Zusammenlebens geübte Handhabung abzustellen; |
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erzielt ein Ehegatte positive und der andere negative Einkünfte, so ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Verlustausgleich möglich (§ 2 Abs. 3 S. 6 EStG). Auch hier ist die Aufteilung umstritten. Und auch hier ist die Aufteilung anhand einer fiktiven getrennten Veranlagung praktikabel. |
Rz. 144
Tipp
Werden die Eheleute von einem Steuerberater vertreten, so ist dieser über die Trennung zu informieren. Es ist ratsam, dass jede Partei einen eigenen Steuerberater wählt. Dies verursacht zwar doppelte Kosten, vermeidet jedoch Interessenkonflikte.
Rz. 145
Führt die gemeinsame Veranlagung zu einer Steuerersparnis, so besteht ein Anspruch auf Zustimmung zur gemeinsamen Steuerveranlagung. Ein entsprechender Antrag ist eine Familiensache und daher bei dem z...