Rz. 7

Unterhalt kann rückwirkend seit einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit nur dann durchgesetzt werden, wenn entweder

der Unterhaltspflichtige durch Mahnung in Form einer bezifferten Zahlungsaufforderung in Verzug gesetzt (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB),
eine Auskunftsaufforderung gem. § 1613 BGB an den Unterhaltspflichtigen erfolgt ist oder

der Zahlungsanspruch rechtshängig gemacht worden ist (§ 261 ZPO); dies geschieht

durch Einreichung einer Antragsschrift bei Gericht
mit einem bezifferten Zahlungsantrag und
dessen Zustellung an den Verfahrensgegner.
 

Rz. 8

 

Praxistipp:

Das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die rückwirkende Geltendmachung hat der Anspruchsteller darzulegen und ggf. zu beweisen.[3]

 

Rz. 9

Die – streng auszulegenden – Regelungen dienen dem Schuldnerschutz. und haben also eine Warnfunktion für den Unterhaltsschuldner. Er soll Gelegenheit erhalten, vorsorglich Geld zurückzulegen für die später bezifferte Forderung.[4] Verlässt er sich trotz einer solchen "Vorwarnung" darauf, dass der Unterhaltsanspruch nicht besteht, handelt er auf eigenes Risiko und ist deshalb nicht schutzwürdig. Vom Unterhaltsberechtigten verlangt das Gesetz folglich, bestimmte rechtswahrende Handlungen vorzunehmen; andernfalls erlischt sein Unterhaltsanspruch für den zurückliegenden Zeitraum.

 

Rz. 10

 

Praxistipp:

Eine Korrektur dieser Versäumnisse durch spätere Handlungen ist nicht möglich!
Eine Ausnahme macht das Gesetz in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 BGB für Sonderbedarf, der ohne vorherige Inverzugsetzung geltend gemacht werden kann. Sonderbedarf ist ein unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf, der nur dann vorliegt, wenn er nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war, deshalb bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte und für den der Berechtigte auch keine Rücklagen aus seinem eigenen Einkommen oder den geleisteten Unterhaltszahlungen bilden konnte.
Sonderbedarf liegt unbestritten vor, wenn besonderer Aufwand unvorhersehbar anfällt, wie z.B. bei einer Erkrankung eines Kindes.[5]
Fallen besondere Aufwendungen an, die vorhersehbar waren wie z.B. Klassenfahrten, Aufwand für Kommunion oder Konfirmation, Semestergebühren, Kosten des Kindergartens usw., so sind diese eher als Mehrbedarf einzustufen, der rückwirkend nur durchgesetzt werden kann, wenn die oben beschriebenen besonderen Voraussetzungen gegeben sind.[6]
Derzeit wichtigster praktischer Anwendungsfall des Mehrbedarfes sind die Kindergartenkosten, die im Zusammenhang mit Ansprüchen aus § 1570 BGB anfallen (dazu siehe § 14 Rdn 54).
Zu Sonderbedarf und Mehrbedarf siehe § 18 Rdn 76.
[4] Born, FPR 2013, 513 m.w.N.
[5] Zur Definition des Sonderbedarfs BGH, Urt. v. 15. 2. 2006 – XII ZR 4/04, FamRZ 2006, 612.
[6] Einzelheiten auch zur – oft strittigen – Abgrenzung zum Mehrbedarf s. Viefhues in jurisPK-BGB, 2020, § 1613 Rn 161 ff. m.w.N.

a) Verzug durch Mahnung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB)

 

Rz. 11

Erforderlich ist eine wirksame Mahnung des Unterhaltspflichtigen durch den Unterhaltsberechtigten nach Fälligkeit der Forderung. Die einmal erfolgte Mahnung muss nicht für die Folgemonate laufend wiederholt werden.[7]

[7] BGH, Urt. v. 13.1.1988 – IVb ZR 7/87, FamRZ 1988, 370, 371.

aa) Inhalt der Mahnung

 

Rz. 12

Die verzugsbegründende Mahnung muss

die anspruchstellenden Personen,
aber auch die geschuldete Leistung nach Umfang und Höhe

genau bezeichnen. Auch der Zeitpunkt, ab wann gezahlt werden soll, muss sich klar ergeben. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Gläubiger für die Zukunft zwar monatliche Unterhaltsansprüche der Höhe nach beziffert, aber keinen näheren Zeitpunkt benennt, ab dem er ihre Zahlung fordert. Etwas anders gilt nur dann, wenn sich aus dem sonstigen Inhalt des Aufforderungsschreibens ein konkreter Zahlungsbeginn (z.B. ab Zugang des Schreibens oder ab dem ersten Tag des nächsten Monats) hinreichend deutlich entnehmen lässt.[8]

 

Rz. 13

Im notwendigen Inhalt einer Mahnung sind in der Praxis folgende weitere Gesichtspunkte relevant:

Dem Verpflichteten muss in der Mahnung auch die Bedürftigkeit des Berechtigten mitgeteilt werden, so dass der Berechtigte seine wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen muss.[9]

Bezieht der Unterhaltsberechtigte also eigenes Einkommen, welches zur Bestimmung der Unterhaltshöhe von Bedeutung ist, gerät der Unterhaltspflichtige bei einer bezifferten Zahlungsaufforderung nur dann in Verzug, wenn ihm vor oder mit der Mahnung das Einkommen mitgeteilt wird, es sei denn, ihm ist die Höhe des Einkommens bereits bekannt. Denn nur dann ist der Verpflichtete in der Lage, die Berechnung der Gegenseite nachzuprüfen.

Im Grundsatz ist eine Bezifferung des Endbetrags in der Mahnung erforderlich.

Nicht ausreichend ist in aller Regel, etwa nur das Alter eines Kindes und das maßgebliche Einkommen mitzuteilen und auf Tabellensätze zu verweisen, nach denen sich der Unterhaltspflichtige – ggf. mit fachkundiger Hilfe – den geschuldeten Unterhalt selbst errechnen kann.[10] Es genügt also nicht, wenn z.B. nur Kind...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge