Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 173
Die Einstellung einer vor Wirksamkeit der Entscheidung möglichen Vollstreckung liegt im Interesse des Schuldners, also in Unterhaltsverfahren des Verpflichteten.
Dieser kann gemäß § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG schon in der ersten Instanz verlangen, dass die Vollstreckung in der Endentscheidung eingestellt oder beschränkt wird, wenn er glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen wurde. Gleiches gilt gem. § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG, §§ 707 Abs. 1, 719 Abs. 1 ZPO für das Beschwerdeverfahren, das Einspruchsverfahren nach Versäumnisbeschluss, bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Wiederaufnahme des Verfahrens und Gehörsrüge nach § 321a ZPO.
a) Einstellung in 1. Instanz
Rz. 174
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit ist nicht anfechtbar und kann auch nicht auf anderem Wege in der 2. Instanz korrigiert werden. Der Schuldner kann folglich zum Schutz vor der Vollstreckung nur beantragen, die Einstellung der Vollstreckung anzuordnen.
Rz. 175
Praxistipp:
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Dieser Antrag muss bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden bzw. bis zu dem Zeitpunkt, der gem. § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht. Zur Frage, ob der Antrag auch erstmalig in der 2. Instanz gestellt werden kann. |
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Der Antrag ist eine Verfahrenshandlung, die gem. § 114 Abs. 1 dem Anwaltszwang unterliegt. |
aa) Voraussetzung: – ein nicht zu ersetzender Nachteil durch die Vollstreckung
Rz. 176
Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG kann das Gericht auf Antrag des Verpflichteten die Vollstreckung vor Eintritt der Rechtskraft in der Endentscheidung einstellen oder beschränken, wenn dieser glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
Rz. 177
Voraussetzung für einen erfolgreichen Einstellungsantrag ist also ein durch die Vollstreckung drohender nicht zu ersetzender Nachteil.
Die Anforderungen sind noch nicht abschließend geklärt und in Rechtsprechung und Literatur streitig.
Rz. 178
Die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels wird zur Feststellung des nicht zu ersetzenden Nachteils grundsätzlich nicht geprüft, da es für den nicht zu ersetzenden Nachteil nicht auf den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ankommt, sondern auf die wirtschaftliche Situation des Verpflichteten. Sofern allerdings feststeht, dass ein Rechtsmittel keine Erfolgsaussicht hat, wird angenommen, dass bei der Vollstreckung auch kein nicht zu ersetzender Nachteil für den Verpflichteten eintritt.
Rz. 179
Bei den übrigen Überlegungen zum nicht zu ersetzenden Nachteil kann zwischen der Vollstreckung von laufendem Unterhalt und Unterhaltsrückständen unterschieden werden.
(1) Vollstreckung von laufendem Unterhalt
Rz. 180
1. |
Nach einer strengeren Auffassung reicht es bei einer Vollstreckung von laufendem Unterhalt nach der Systematik der §§ 116 Abs. 3 Satz 3, 120 Abs. 2 FamFG nicht aus, dass überzahlte Unterhaltsbeträge verbraucht und nicht zurückgefordert werden können. |
2. |
Nach anderer Ansicht liegt ein nicht zu ersetzender Nachteil bereits dann vor, wenn ein nicht mehr rückgängig zu machender Schaden eintritt, weil im Fall einer Überzahlung die nicht geschuldeten, aber beigetriebenen Beträge wegen Vermögenslosigkeit des Gläubigers (endgültig) nicht zurückverlangt werden können. Dann kann die Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet werden, wenn der Gläubiger im Fall der Aufhebung oder Abänderung des Vollstreckungstitels voraussichtlich wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage sein wird, den beigetriebenen Geldbetrag zurückzuzahlen. Dabei werden allerdings auch die zukünftigen Erwerbsmöglichkeiten des Gläubigers berücksichtigt. |
Unterschiedliche Anforderungen werden an die Darlegung der Voraussetzungen gestellt.
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Einerseits wird eine eingehend begründete Glaubhaftmachung verlangt. |
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Eine andere Ansicht lässt den unstreitigen Vortrag der Beteiligten ausreichen. |