Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 32
Nach § 1613 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit auch bereits ab dem Auskunftsbegehren (zum Auskunftsanspruch siehe § 20 Rdn 1 ff.), das zum Zwecke der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches verlangt wurde, beantragt werden. Auch hier wird dieser Unterhalt ab dem 1. des Monats, in dem das Auskunftsschreiben zuging, geschuldet. Eine Quotelung nach einzelnen Tagen ist nicht erforderlich.
Rz. 33
Die Norm dient allerdings dem Schuldnerschutz, denn sie soll den Unterhaltspflichtigen vor hohen Nachforderungen schützen, auf die er sich nicht in seiner Lebensführung eingerichtet hat, weil er vom Unterhaltsberechtigten nicht in Anspruch genommen wurde. Die Regelungen sind im Hinblick auf Warnfunktion der Auskunftsaufforderung daher streng auszulegen.
Rz. 34
Der wesentliche Vorteil besteht also darin, dass bei einem korrekten Vorgehen über § 1613 BGB die rückwirkende Durchsetzung immer in Höhe des später beziffert geforderten und in gleicher Höhe gerichtlich zuerkannten Betrags möglich ist.
aa) Die korrekte Aufforderung zur Auskunft
Rz. 35
Erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut aber, dass der Unterhaltspflichtige aufgefordert worden ist
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zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs |
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über seine Einkünfte und |
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sein Vermögen Auskunft zu erteilen. |
Rz. 36
Das Auskunftsverlangen ist wie die Mahnung eine empfangsbedürftige, geschäftsähnliche Willensäußerung, auf die die Vorschriften über Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen entsprechende Anwendung finden. Beim Minderjährigen unterhalt sind die Regeln der gesetzlichen Vertretung und die Spezialregel des § 1629 BGB zu beachten, d.h. die Auskunftsaufforderung muss durch die richtige Person ausgesprochen worden sein. Auch hier muss der Zugang an den richtigen Empfänger (siehe oben Rdn 14) ggf. nachgewiesen werden. Geht die Auskunftsaufforderung an einen Anwalt, muss sich dessen Vollmacht auf den Verfahrensgegenstand Auskunft erstrecken.
Rz. 37
Voraussetzung rückwirkende Durchsetzung ist, dass die Aufforderung zur Auskunft zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs erfolgt ist. Daher muss auf eine ganz bestimmte Unterhaltslage – also den Unterhaltsanspruch einer bestimmten Person – hingewiesen werden. Zahlungen für zurückliegende Zeiträume werden nur dann geschuldet, wenn der Unterhaltsschuldner zuvor mit ausreichender Deutlichkeit "vorgewarnt" worden ist. Dazu muss der Schuldner aber bei einer Auskunftsforderung genau absehen können, welche Person für welchen Zeitraum Unterhalt von ihm verlangt.
Rz. 38
Praxistipp:
Hier lauern erhebliche Fallen.
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So ist nicht ausreichend ein allgemeines Auskunftsverlangen, das nicht bezogen auf Unterhalt ist oder das nicht auf eine bestimmte Unterhaltslage hinweist. |
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Das Auskunftsverlangen für den Unterhaltsanspruch eines bestimmten Kindes löst nicht die Wirkungen nach § 1613 Abs. 1 BGB in Bezug auf weitere Kinder aus und schon gar nicht für den Ehegattenunterhalt aus. |
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Nicht ausreichend ist damit eine allgemeine Aufforderung zur Auskunft ohne Konkretisierung, für welches von mehreren unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern Unterhalt geltend gemacht werden soll. |
Rz. 39
Formulierungsbeispiel Nr. 1 aus einem anwaltlichen Aufforderungsschreiben
"Nachdem Sie die Ehewohnung verlassen haben, sind verschiedene Fragen zu regeln, u.a. auch der Unterhalt. Ich fordere Sie auf, Auskunft über Ihr Einkommen zu erteilen und mir die letzten 12 Gehaltsabrechnungen in Kopie zu überlassen."
Rz. 40
Die Aufforderung zur Auskunft muss zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs erfolgt sein. Nicht ausreichend ist dagegen ein allgemeines Auskunftsverlangen; dass nicht auf eine bestimmte Unterhaltslage hinweist.
Damit genügt das vorgenannte Schreiben nicht den Voraussetzungen des § 1613 BGB. Denn es wird nicht ausreichend klargestellt, dass Auskunft für die Unterhaltsansprüche der Kinder und der Ehefrau verlangt wird.
Rz. 41
Formulierungsbeispiel Nr. 2 aus einem anwaltlichen Aufforderungsschreiben:
…
"macht meine Mandantin ihren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Einkommensverhältnisse ihres Mandanten geltend."
Rz. 42
Später wird Kindesunterhalt incl. der Rückstände geltend gemacht, gestützt auf § 1613 Abs. 1 BGB. Mit dieser Aufforderung ist jedoch kein Verzug hinsichtlich des Kindesunterhaltes eingetreten. Zum einen ist schon nicht ausreichend konkretisiert, dass die Auskunft zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs erfolgt ist. Zum anderen ist von "meiner Mandantin" die Rede, was auf den Ehegattenunterhaltsanspruch schließen lässt. Es reicht nicht aus, dass die Ehefrau als gesetzliche Vertreterin des Kindes auftritt bzw. auftreten kann. Aufgrund der Warnfunktion des Verzuges ist erforderlich, dass der Empfänger des Auskunftsverlangens klar erkennen kann, dass dieser Anspruch auch geltend gemacht werden soll.
Rz. 43
Im konkreten Verfahren hatte dieser Fehler zur Folge, dass Verzug erst ab Rechtshängigkeit eingetreten ist. Dies bedeutete einen realen wirtschaftlichen Verlust rund 5 Monaten Kindesunterhalt.
Rz. 44
Formulierungsbeispiel Nr. 3 au...