Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 385
Auch der Unterhaltsberechtigte als Gläubiger muss für eine Erhöhung der titulierten Unterhaltsverpflichtung ein Abänderungsverfahren einleiten.
Bei der Abänderung einer einseitig errichteten Jugendamtsurkunde im Sinne der §§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 60 SGB VIII ist gemäß § 239 FamFG zu beachten, dass eine derartige Urkunde allerdings keine materielle Rechtskraft entfaltet. Insbesondere liegt der Urkunde, da nicht auf einer Vereinbarung beruhend, keine Geschäftsgrundlage zu Grunde, deren Wegfall oder Änderung dargelegt werden müsste.
Rz. 386
Formulierungsbeispiel für ein entsprechendes Erhöhungsverlangen:
"… unter Abänderung der Jugendamts-Urkunde vom (…) Aktenzeichen (…) wird dem Antragsgegner aufgeben, ab (…) monatlichen Unterhalt von (…) EUR zu zahlen."
Rz. 387
Liegt nach den obigen Grundsätzen eine einvernehmlich errichtete vollstreckbare Urkunde vor, kann keine freie Abänderbarkeit der Urkunde erfolgen. Denn die Einigung der Beteiligten entfaltet eine materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für den Unterhaltsberechtigten. Im Rahmen der Abänderung ist vielmehr stets der Inhalt der Vereinbarung der Vertragsparteien zu beachten. An der Bewertung der bei Abschluss der Vereinbarung geltenden Umstände müssen sich die Beteiligten festhalten lassen. Eine Abänderung kommt nur dann in Betracht, wenn diese wegen nachträglicher Veränderungen nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB geboten ist.
Rz. 388
Dabei ist auch zu prüfen, ob die Beteiligten eine Abänderung für bestimmte Ereignisse ausgeschlossen haben oder umgekehrt eine Abänderung nur im Falle des Eintritts bestimmter Ereignisse vereinbart haben. Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen Abänderungsausschluss liegt bei demjenigen, der sich auf diesen beruft.
Rz. 389
Praxistipp:
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In der Antragsbegründung muss also einmal zur verfahrensrechtlichen Seite der Berechtigung eines Abänderungsbegehrens vorgetragen werden, aber auch zur materiellrechtlichen Seite des erhöhten Unterhaltsanspruchs. |
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Dabei besteht in der Praxis oft die Schwierigkeit, dass die "Vorgeschichte" des Zustandekommens der Titulierung nicht mehr sauber nachvollzogen werden kann. |
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Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Abänderungsgründe liegt grundsätzlich beim Antragsteller. |
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Es wäre hilfreich, wenn in dem Text des einseitig erstellten Titels sowohl ein Hinweis auf die Tatsache der vorangegangenen Einigung verwiesen wird als auch die Eckpunkte der Berechnung des Unterhaltsanspruchs festgehalten werden. |
Rz. 390
Kann das Gericht nicht feststellen, dass die vollstreckbare Urkunde über den gesamten Unterhaltsanspruch einvernehmlich errichtet worden ist, so besteht für den Berechtigten als Unterhaltsgläubiger keine Bindungswirkung. Er kann daher ohne Bindung an die Vereinbarung im Wege der Abänderung eine Erhöhung des titulierten Betrags nach Maßgabe der derzeit bestehenden Verhältnisse verlangen.
Rz. 391
Praxistipp:
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Die Antragsbegründung entspricht einem Leistungsantrag. |
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Es muss also nur zur materiellrechtlichen Seite des erhöhten Unterhaltsanspruchs vorgetragen werden. |