Rz. 51

Wird nach einer Aufforderung Auskunft erteilt, muss der Berechtigte den Unterhaltspflichtigen gegenüber zeitnah zur Zahlung eines bezifferten Betrages auffordern, um die Wirkungen dieser Aufforderung aufrechtzuerhalten.[39]

 

Praxistipp:

Eine Verwirkung von rückständigen Unterhaltsansprüchen kann vorliegen, wenn der Unterhaltsgläubiger auf von ihm geforderte Auskunft über die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsschuldners den Unterhaltsanspruch nicht beziffert. Dann kommt auch unter Berücksichtigung des Umstandsmoments ein Vertrauensschutz des Schuldners in Betracht.[40]

 

Rz. 52

Probleme können sich in der Praxis dann ergeben, wenn der Unterhaltsberechtigte nach einem Auskunftsverlangen seinen Anspruch zwar beziffert, dann aber später einen noch höheren Unterhaltsanspruch rückwirkend durchsetzen will. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB erlaubt nicht, einen nach dem ursprünglichen Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich für die Vergangenheit betragsmäßig zu erhöhen.[41]

 

Rz. 53

 

Beispiel:

Nach einer Aufforderung zur Auskunft am 6.9.2021 verlangt die Unterhaltsberechtigte mit Schreiben vom 4.10.2021 einem monatlichen Unterhalt von 600 EUR. Aufgrund einer Neuberechnung verlangt sie mit Schreiben vom 6.1.2022 einen monatlichen Unterhalt von 900 EUR. Im gerichtlichen Verfahren macht sie 900 EUR monatlich ab 1.9.2021 geltend. Das Gericht spricht ihr 900 EUR mtl. ab 1.1.2014 zu, aber für die Monate davon nur 600 EUR. Verzug ist eingetreten in Höhe von 600 EUR durch die bezifferte Zahlungsaufforderung vom 4.10.2021 rückwirkend auf den 1.9.2021. Die bezifferte Erhöhung vom 6.1.2022 begründet Verzug in Höhe von 900 EUR erst ab 1.1.2022.

Es ist unerheblich, ob die Anspruchsbezifferung vorgerichtlich, außergerichtlich oder im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erfolgt.[42]

Dies ist auch bei einer Erhöhung des Kindesunterhaltes aufgrund des Alterssprung des Kindes zu beachten. Auch hier ist die höhere Unterhaltsforderung nur von dem Zeitpunkt an rückwirkend durchsetzbar, an dem der Unterhaltspflichtige eine genaue bezifferte Zahlungsaufforderung in dieser geänderten Höhe erhalten hat.[43]

 

Rz. 54

 

Praxistipp:

Der Unterhaltsberechtigte muss bei der Bezifferung seines Anspruches genau abwägen, ob er sich nicht eine Erhöhung des Unterhaltes vorbehalten will.
Allerdings besteht das Risiko, dass der Gegner auf einen solchen Vorbehalt mit einem negativen Feststellungsantrag reagiert.[44]
Ein solches Risiko ist aber nicht gegeben, wenn der Vorbehalt im Hinblick auf noch weitere ausstehende Auskünfte erklärt wird.
Wenn allerdings alle maßgeblichen Fakten auf dem Tisch liegen, ist ein pauschaler Vorbehalt einer späteren Erhöhung mit Risiken behaftet.
 

Rz. 55

OLG Brandenburg v. 7.5.2013 – 10 UF 1/13[45]

Zitat

Eine rückwirkende Geltendmachung von höherem Unterhalt ist möglich, wenn der Unterhaltspflichtigen zur Auskunft und Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden ist, in diesem Schreiben aber hinreichend deutlich gemacht wurde, dass die Zahlung von Mindestunterhalt nur vorläufig gefordert wird und eine konkrete Bezifferung erst nach erfolgter Auskunftserteilung vorgenommen werden soll.

[39] OLG Karlsruhe v. 16.2.2006 – 16 WF 26/06 mit Anm. Schürmann, jurisPR-FamR 16/2006, Anm. 2; BGH FamRZ 1988, 478, 480.
[41] BGH, Beschl. v. 7. 11. 2012 – XII ZB 229/11, FamRZ 2013, 109 mit Anm. Finke = NJW 2013, 161; OLG Saarbrücken, Beschl. 21.1.2014 – 6 WF 7/14, FamRZ 2014, 1475; OLG Brandenburg v.18.12.2014, 9 UF 182/12, juris.
[42] OLG Hamm NJW 2013, 3314 = FamRZ 2014, 483.
[44] Finke, FamRZ 2013, 114.

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