Dr. iur. Wolfram Viefhues
I. Durchsetzungshindernis Verjährung
Rz. 404
Bei der Verjährung handelt es sich um eine Einrede, die ausdrücklich geltend gemacht werden muss; sie berechtigt den Schuldner, die Leistung zu verweigern (§ 214 BGB).
Bzgl. der Verjährung eines titulierten Unterhaltsanspruchs ist zu beachten, dass bei Titeln über Unterhalt die 30-jährige Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BGB durch die §§ 197 Abs. 2, 195 BGB auf drei Jahre verkürzt wird, soweit es sich um Unterhaltsraten nach der Rechtskraft handelt.
Rz. 405
Praxistipp:
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Unterhaltsrückstände, die bereits bei Rechtskraft des Titels aufgelaufen waren, verjähren in 30 Jahren. |
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Rückstände, die zwischen dem Datum der Rechtskraft des Titels und der Vollstreckung aufgelaufen sind, verjähren nach 3 Jahren. |
Rz. 406
Eine Hemmung der Verjährung durch einen neuen Leistungsantrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht möglich. Ein Feststellungsantrag hemmt die Verjährung nur, wenn der Vollstreckungsschuldner einen unbekannten Aufenthalt hat/hatte. In den übrigen Fällen sind daher Vollstreckungsmaßnahmen als einfachere Maßnahmen vorzunehmen, die gem. § 212 Nr. 2 BGB zum Neubeginn der Verjährung führen.
Rz. 407
Praxistipp:
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Beim Kindesunterhalt ist zusätzlich zu bedenken, dass nach § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a BGB für Kinder im Verhältnis zu ihren Eltern die Verjährung von wechselseitigen Ansprüchen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt ist. Die Verjährung von Kindesunterhalt beginnt also erst in diesem Zeitpunkt. |
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Diese Sperre gilt nicht für die Verwirkung. Auch während eines Hemmungszeitraums kann ein Unterhaltsgläubiger durch sein Verhalten Veranlassung zu dem Vertrauen des Unterhaltsschuldners gegeben haben, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht. Maßgeblich bleibe in diesen Fällen vielmehr, ob der Unterhaltsschuldner die berechtigte Erwartung haben durfte, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht. |
II. Durchsetzungshindernis Verwirkung
Rz. 408
Wird in der Praxis über die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen diskutiert, sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden
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der Ausschluss des Anspruchs für die Zukunft (also des laufenden Unterhaltes) aufgrund bestimmter Umstände – i.d.R. eines Fehlverhaltens des Unterhaltsberechtigten. Dies ist geregelt in |
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der Ausschluss der Durchsetzung des Anspruchs für die Vergangenheit (also der Unterhaltsrückstände) aufgrund nicht ausreichender Geltendmachung,
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hier geht es um die Verwirkung von Unterhaltsrückständen. |
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Wird der Unterhalt nicht zeitnah durchgesetzt, kann daher Verwirkung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände eingreifen (§ 242 BGB).
Rz. 409
Praxistipp:
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Die Verwirkung ist als Einwendung von Amts wegen zu berücksichtigen, muss also nicht besonders geltend gemacht werden. Es kommt nicht darauf an, ob der Unterhaltsschuldner sich auf Verwirkung beruft, denn es handelt sich um eine Einwendung. |
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Allerdings ist entsprechender Sachvortrag unverzichtbar. |
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Der Verpflichtete trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verwirkung. |
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Der Gläubiger ist jedoch darlegungspflichtig dafür, wann und wie er den Anspruch geltend gemacht hat. |
Rz. 410
Die Frage einer Verwirkung des Anspruchs kann sich insbesondere bei folgenden Fallgestaltungen stellen:
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der Berechtigte lässt nach einer Mahnung nichts von sich hören; |
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er beziffert den Anspruch nach Auskunftserteilung nicht; |
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er unterlässt es, das gerichtliche Verfahren nach Einreichung des Stufenantrags zu betreiben; |
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er nimmt eine nicht schlüssig begründete Kürzung der Unterhaltszahlungen widerspruchslos hin; |
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er teilt dem Unterhaltspflichtigen mit, Unterhalt solle zurzeit nicht verlangt werden; |
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er ermäßigt seine Unterhaltsforderung nach Vortrag von Abzugspositionen durch den Unterhaltspflichtigen. |