Rz. 19

Verzug nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt nur ein genau in Höhe des geforderten Betrags. Stellt sich später heraus, dass eine höhere Unterhaltsforderung bestanden hat, kann diese erst von dem Zeitpunkt an durchgesetzt werden, an dem der Unterhaltspflichtige eine genaue bezifferte Zahlungsaufforderung in dieser Höhe erhalten hat.

 

Rz. 20

 

Praxistipp:

Der Verzug tritt wegen § 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB hier bereits rückwirkend auf den Monatsersten ein (anders nach allgemeinen Regeln; dort erst ab Zugang der Mahnung).
Eine Quotelung nach einzelnen Tagen ist daher nicht erforderlich.
Es ist zu bedenken, dass die Bezifferung ohne Erhöhungsvorbehalt aufgrund unvollständiger Auskünfte das Risiko birgt, eine weitere Erhöhung später nicht mehr geltend machen zu können.[23]

Eine Rechtswahrungsanzeige des Trägers der Sozialhilfe ermöglicht dagegen die rückwirkende Geltendmachung erst ab Zugang der Forderung des Unterhaltes.[24]

(1) Auswirkungen einer späteren Erhöhung der Forderung

 

Rz. 21

Stellt sich später heraus, dass eine höhere Unterhaltsforderung bestanden hat, kann diese erst von dem Zeitpunkt an durchgesetzt werden, an dem der Unterhaltspflichtige eine genaue bezifferte Zahlungsaufforderung in dieser geänderten Höhe erhalten hat.

 

Rz. 22

 

Fallbeispiel:

Die Ehefrau E macht Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann geltend. Mit Aufforderungsschreiben vom 15.6.2021 macht ihr Rechtsanwalt für sie einen Betrag von mtl. 600 EUR geltend. Später errechnet der Anwalt einen höheren Anspruch von 750 EUR, den er durch das mit Briefpost an den Gegenanwalt verschickte Schreiben vom 31.8.2021 einfordert. Im gerichtlichen Verfahren verlangt er diesen Betrag, das Gericht gesteht ihm aber nur 700 EUR zu.

Lösung:

Zwar besteht ein Anspruch über 700 EUR, der aber rückwirkend immer nur in Höhe des Betrages durchgesetzt werden kann, über den der Schuldner wirksam in Verzug gesetzt worden ist.

Verzug in Höhe von 600 EUR ist eingetreten durch das Aufforderungsschreiben vom 15.6.2021 zum 1.6.2021.

In Höhe des Betrages von 700 EUR wurde durch die Aufforderung vom 31.8.2021 in Verzug gesetzt.

Eine rückwirkende Forderung in Höhe von 750 EUR kann nicht durchgesetzt werden, weil lediglich ein Anspruch über 700 EUR besteht.
Da dieses Schreiben aber per Briefpost nicht mehr im August beim Schuldner eingegangen ist, tritt der Verzug erst am 1.9.2021 ein.
Hätte der Anwalt das Schreiben vom 31.8.2021 per Fax an den Gegenanwalt übermittelt, wäre noch rückwirkend zum 1.8.2021 Verzug in Höhe von 700 EUR eingetreten.

Damit wird folgender Unterhalt zugesprochen:

für die Monate Juni bis August von 600 EUR und
ab September 700 EUR.
 

Rz. 23

Dies gilt ebenso bei einer Erhöhung des Kindesunterhaltes aufgrund des Alterssprungs des Kindes. Auch hier ist die höhere Unterhaltsforderung nur von dem Zeitpunkt an durchsetzbar, an dem der Unterhaltspflichtige eine genaue bezifferte Zahlungsaufforderung in dieser geänderten Höhe erhalten hat.[25]

Ebenso muss beim Jahreswechsel eine nach der neuen Düsseldorfer Tabelle materiellrechtlich bestehende höhere Unterhaltsforderung auch geltend gemacht werden, um Verzugswirkungen für den erhöhten Betrag auszulösen.

(2) Auswirkungen einer späteren Verminderung der Forderung

 

Rz. 24

 

Beispiel:

Die Ehefrau E macht Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann geltend. Mit Aufforderungsschreiben vom 15.6. 2021 macht ihr Rechtsanwalt für sie einen Betrag von mtl. 600 EUR geltend. Später errechnet der Anwalt einen geringeren Anspruch von 500 EUR, den er durch ein Fax vom 1.8. 2021 einfordert. Mit Fax vom 12.10. 2021 erhöht er seine Forderung auf 750 EUR. Im gerichtlichen Verfahren verlangt er diesen Betrag, das Gericht gesteht ihm aber nur 700 EUR zu.

Lösung:

Zwar besteht auch hier ein Anspruch über 700 EUR, der aber rückwirkend immer nur in Höhe des Betrages durchgesetzt werden kann, über den der Schuldner wirksam in Verzug gesetzt worden ist.

Verzug in Höhe von 600 EUR ist eingetreten durch das Aufforderungsschreiben vom 15.6.2017 zum 1.6. 2021.
Aufgrund des Fax vom 1.8. 2021 verringerte sich der in Verzug gesetzte Betrag auf 500 EUR.
Das Erhöhungsschreiben vom 12.10. 2021 erweiterte den Verzug mit Rückwirkung auf den 1.10. 2021 auf 700 EUR.

Damit wird folgender Unterhalt zugesprochen:

für die Monate Juni und Juli von 600 EUR
für August 500 EUR
ab September 700 EUR.

In Höhe des Betrages von 700 EUR wurde durch die Aufforderung vom 31.8. 2021 in Verzug gesetzt.

Eine rückwirkende Forderung in Höhe von 750 EUR kann nicht durchgesetzt werden, weil lediglich ein Anspruch über 700 EUR besteht.
Da dieses Schreiben aber per Briefpost nicht mehr im August beim Schuldner eingegangen ist, tritt der Verzug erst am 1.9. 2021 ein.
Hätte der Anwalt das Schreiben vom 31.8. 2021 per Fax an den Gegenanwalt übermittelt, wäre noch rückwirkend zum 1.8. 2021 Verzug in Höhe von 700 EUR eingetreten.

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