Dr. Wolfgang Kürschner, Prof. Dr. Günther Schneider
I. Leistung an Erfüllungs statt
Rz. 16
Gemäß § 364 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis auch dann, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Beispiel: die Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens. Während bei der Leistung an Erfüllungs statt die Forderung mit dem Bewirken der Leistung erlischt, tritt bei einer Leistung erfüllungshalber Erfüllung erst ein, wenn sich der Gläubiger aus dem Geleisteten befriedigt hat.
Beispiele für Leistungen erfüllungshalber durch Übernahme einer neuen Verbindlichkeit, § 364 Abs. 2 BGB:
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Hingabe von Wechseln, |
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Schecks, |
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Belastungsbelegen bei Kreditkarten. |
Rz. 17
Durch die Leistung erfüllungshalber erhält der Gläubiger bei Weiterbestehen der bisherigen Forderung eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit. Mit der Leistung erfüllungshalber ist regelmäßig eine Stundung der ursprünglichen Leistung verbunden, die entweder mit der Erfüllung oder der misslungenen anderweitigen Befriedigung endet.
II. Hinterlegung
Rz. 18
Ein anderes Erfüllungssurrogat stellt die Hinterlegung dar: Bei Gläubigerverzug oder Ungewissheit über die Person des Gläubigers kann der Schuldner unter den Voraussetzungen der §§ 372 ff. BGB mit befreiender Wirkung, § 378 BGB, hinterlegen.
III. Aufrechnung
Rz. 19
Aufrechnung ist die einseitige, empfangsbedürftige und grundsätzlich bedingungsfeindliche Willenserklärung des Schuldners, die zur wechselseitigen Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderungen führt. Voraussetzungen der Aufrechnung sind Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen, § 387 BGB. Die Gegenforderung muss voll wirksam und fällig sein, die Hauptforderung erfüllbar. Erst wenn der Schuldner die Aufrechnung erklärt und damit über die eigene Forderung verfügt, tritt Erfüllungswirkung ein, indem die sich gegenüberstehenden Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken.
Rz. 20
Von der Aufrechnung ist die Anrechnung zu unterscheiden, bei der es lediglich um die Ermittlung der Anspruchshöhe geht; bei ihr werden unselbstständige Rechnungsposten in Abzug gebracht, wie beispielsweise bei der Schadensermittlung nach der Differenztheorie (vgl. dazu § 12 Rdn 5 ff.) und der Vorteilsausgleichung (vgl. dazu § 19). Die Anrechnung findet von Amts wegen statt, Aufrechnungsverbote sind weder direkt noch analog anwendbar.
Rz. 21
Die Aufrechnung kann vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen sein. Gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung ist gem. § 393 BGB die Aufrechnung nicht zulässig. Dagegen steht es dem Geschädigten frei, seinerseits selbst mit seiner Schadensersatzforderung gegen eine Forderung des Schädigers aufzurechnen.
Rz. 22
Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet nach § 394 S. 1 BGB die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Die Vorschrift bezieht sich im Wesentlichen auf die Pfändungsverbote nach den §§ 850 ff. ZPO. Aufrechnungsverbote sind im Beamtenrecht (vgl. z.B. § 51 Abs. 2 S. 1 BeamtVG) und im Sozialgesetzbuch enthalten (§ 51 SGB I). In diesem Umfang besteht zugleich ein Verbot der Aufrechnung (und außerdem nach § 400 BGB ein Verbot der Abtretung der Forderung). § 394 BGB ist indessen nicht umkehrbar: Der Ausschluss der Aufrechnung bewirkt nicht zugleich ein Pfändungsverbot, mithin auch kein Abtretungsverbot.
Rz. 23
Unpfändbar sind gem. § 850b Nr. 1 ZPO beispielsweise Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, nach Nr. 2 Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten. Unter Nr. 1 fallen wiederkehrende Geldleistungen, die bei Invalidität gezahlt werden, insbesondere Haftpflichtrenten aufgrund gesetzlicher Vorschriften, Geldrenten nach § 843 BGB wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, Geldrenten nach § 8 HPflG, § 13 StVG, § 38 LuftVG, § 30 AtomG, aber auch Unfall- und Invaliditätsrenten, die auf vertraglicher Grundlage gewährt werden. Geschützt sind auch rückständige und daher in einer Summe zu zahlende Rentenbeträge. Keine Anwendung findet Nr. 1 jedoch auf Kapitalabfindungen, die anstelle von Schadensersatzrenten vereinbart werden. Sie sind unbeschränkt pfändbar. Sozialversicherungsrenten und Renten nach dem BVersG und hierauf bezugnehmenden Gesetzen gehören nicht hierher.
Rz. 24
Wird einem Verletzten eine Rente zugebilligt und verlangt der Schädiger Verrechnung mit bereits geleisteten Zahlungen, so ergeben sich insoweit keine Bedenken wegen des Aufrechnungsverbotes aus § 850b ZPO in Verbindung mit § 394 BGB, da keine Aufrechnung, sondern der Einwand der Erfüllung geltend gemacht wird. Eine Kostenforderung aus dem Prozess selbst kann nicht gegen Rentenansprüche aufgerechnet werden, auch nicht, soweit es sich um bereits fällige Renten aus der Zeit zwischen Unfall und ...