Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 8
Die Klage ist zulässig, aber nur in Höhe von 112.590 EUR begründet.
I. Anspruchsgrundlage für die Rückzahlung
Rz. 9
Die Klägerinnen haben gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB in Höhe von 112.590 EUR einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten, da er diesen Betrag, der ihm als Vergütung nicht geschuldet war, auf Kosten der Klägerinnen erlangt hat, indem er 317.956 EUR von einem Nachlasskonto des Erblassers, das den Klägerinnen aufgrund des Erbfalls zusteht, entnommen hat, obwohl die ihm zustehende angemessene Bruttovergütung 205.366 EUR beträgt.
II. Anspruchsgrundlage für die Testamentsvollstreckervergütung
Rz. 10
Der Beklagte hat gemäß § 2221 BGB Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung seiner Vergütung im Rechenschaftsbericht und in der Rechnung vom 4.5.2021, auf die jeweils Bezug genommen wird, hält einer Überprüfung durch das Gericht nicht in allen Punkten stand.
Als angemessen i.S.d. § 2221 BGB ist diejenige Vergütung anzusehen, die sich nach Würdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles an Art, Dauer und Umfang der zu erledigenden Aufgaben bemisst.
1. Vergütungskriterien nach der Rechtsprechung
Rz. 11
Zur Beurteilung der Angemessenheit sind maßgebend der dem Testamentsvollstrecker im Rahmen der Verfügung von Todes wegen nach dem Gesetz obliegende Pflichtenkreis, der Umfang der ihn treffenden Verantwortung und die von ihm geleistete Arbeit, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder der Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen und auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind.
2. Verschiedene Methoden zur Umsetzung der Kriterien der Rechtsprechung
Rz. 12
Um den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit in § 2221 BGB auszufüllen, gibt es einerseits in verschiedenen Tabellen den Ansatz, durch einen Prozentsatz, der sich auf den Nachlasswert als Bezugsgröße bezieht, die Grundvergütung zu bestimmen und dann durch ggf. hinzutretende Zuschläge, die sich auf die Grundvergütung als Bezugsgröße beziehen, besondere Schwierigkeiten der Tätigkeit zu vergüten. Einzelheiten sind hier je nach Tabelle unterschiedlich.
Daneben gibt es den Ansatz, die Testamentsvollstreckergebühr nach der geleisteten Arbeitszeit zu berechnen.
3. Entscheidung für eine tabellenmäßige Berechnung
Rz. 13
Die Rechtsprechung hat traditionell die Bestimmung der angemessenen Testamentsvollstreckergebühr auf Basis von Tabellen und Prozentsätzen vorgenommen.
Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus, dass die Berechnung der Vergütung nach Bruchteilen des Nachlasswerts möglich und im Grundsatz der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden förderlich ist, indes solche Richtsätze – wie etwa die Rheinische Tabelle – nicht schematisch angewandt werden dürfen, weil sie i.d.R. nur einen Anhaltspunkt für Fälle bieten, in denen der Testamentsvollstrecker die üblichen Aufgaben erfüllt. Ihrer Natur nach könne die Vergütung nur im Rahmen eines Ermessensspielraums bestimmt werden und obliege in erster Linie dem Tatrichter. Dass sich die Vergütung des Testamentsvollstreckers ausschließlich nach seinem Zeitaufwand zu richten habe, sei in Übereinstimmung mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abzulehnen.
Rz. 14
Dieser Ansicht schließt sich das erkennende Gericht an. Denn der Ansatz, auf Basis der bereits seit 1925 entwickelten verschiedenen Tabellen – z.B. Rheinische Tabelle, Möhring‘sche Tabelle, Klingelhöffer‘sche Tabelle, Berliner Praxis, Eckelskemper‘sche Tabelle und Neue Rheinische Tabelle – von Prozentwerten in Bezug auf den Nachlasswert auszugehen, kann als gefestigt und aufgrund des bestehenden Ermessenspielraum des Prozessgerichts als sachgerecht angesehen werden. Dabei müssen die bereits eingangs genannten Kriterien der Rechtsprechung in die Ermessensentscheidung einfließen.
Rz. 15
Eine Abrechnung nach Zeitaufwand würde neue Fragen aufwerfen, z.B. wie viele Stunden man angemessenerweise für eine bestimmte Tätigkeit benötigt, welcher Stundensatz angemessen ist. Insofern hat sich noch keine gefestigte Vorgehensweise herausgebildet, die Rechtssicherheit böte. Eine Abrechnung nach Zeitaufwand beseitige auch das hier vorherrschende Problem einer Vergütungsberechnung bei Vorliegen eines stark überschuldeten Nachlasses nicht, insbesondere nicht das Problem, dass bei einem hohen Schuldenanteil die Vergütung den Wert des verbleibenden Reinnachlasses erheblich beeinträchtigen kann. Denn die Abwicklung vieler Verbindlichkeiten ist regelmäßig zeitaufwändig, so dass sich auch bei einer Abrechnung nach Arbeitszeit dasselbe Problem stellen kann, als wenn man auf den Bruttonachlass als Bezugsgröße abstellt.
Rz. 16
Der von den Klägerinnen vorgeschlagenen Berechnung der Vergütung nach Arbeitszeitstunden wird daher nicht gefolgt. Vielmehr ist der Aspekt des Zeitaufwands lediglich einer von mehreren, die bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt wurden.