Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
Rz. 57
Die gesetzlichen Schuldverhältnisse der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 4 Rom II-VO, Art. 38 EGBGB), der Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 4 Rom II-VO, Art. 39 EGBGB) und der unerlaubten Handlung (Art. 4 Rom II-VO, Art. 40 EGBGB) unterliegen der Rechtswahl grundsätzlich erst ab Entstehung des Anspruchs (Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a Rom II-VO; Art. 42 S. 1 EGBGB). Im Deliktsrecht ist dies der Eintritt der Rechtsgutsverletzung. Bei Haftungstatbeständen, die eine solche nicht verlangen (bspw. § 826 BGB), der Eintritt der primären Interessenverletzung. Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. b Rom II-VO ist im kommerziellen Bereich auch eine vorherige Rechtswahl zulässig. Hierauf sollte in der Formulierung der vertraglichen Rechtswahlklausel ausdrücklich Bezug genommen werden (siehe Rdn 36). Die Rechtswahl muss "frei ausgehandelt" worden sein, weshalb jedenfalls strengere Anforderungen an die Einbeziehung einer Rechtswahlklausel durch AGB gelten (str.).
Rz. 58
Die Wahl wird in der Praxis oft im Prozess zugunsten des deutschen Rechts formlos und ggf. auch nur stillschweigend durch Verhandeln unter deutschem Recht getroffen (zu den Anforderungen an eine stillschweigende Rechtswahl vgl. Rdn 43). Wenngleich die Rechtswahl als solche keinen zeitlichen Beschränkungen unterliegt, unterliegt ihr Vortrag im Prozess insbesondere den jeweils geltenden Vorschriften über die Rechtzeitigkeit entsprechenden Vortrags, die zur Meidung einer Präklusion unbedingt zu beachten sind. Die Rechtswahl wirkt zurück auf den Eintritt des Schadensereignisses und beruft das Sachrecht der gewählten Rechtsordnung (Art. 24 Rom II-VO). Eine Wahl nichtstaatlicher Regelwerke (etwa der Principles of European Tort Law) ist nur als materiell-rechtliche Verweisung im Rahmen des objektiv angeknüpften Rechts wirksam (vgl. Rdn 31). Nach h.M. ist auch eine Teilrechtswahl entsprechend Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO zuzulassen. Ebenso richtet sich die Frage des Zustandekommens nach dem gewählten Recht (entsprechend Art. 3 Abs. 5, 10 Rom I-VO). Die obigen Ausführungen und Checklisten sind übertragbar (vgl. Rdn 30 ff.).
Rz. 59
Ausgeschlossen ist die Rechtswahl im internationalen Kartellrecht, Immaterialgüter- und Lauterkeitsrecht.
Unangemessene Haftungsfolgen, wie sie Art. 26 Rom II-VO ordre public (Art. 40 Abs. 3 EGBGB) verbieten, können auch nicht durch eine Rechtswahl herbeigeführt werden. So wäre etwa eine Teilrechtswahl, die den Schadensumfang dem kalifornischen Recht unterstellt (mit der Folge von punitive und treble damages) nicht wirksam. Rechte Dritter bleiben nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO (Art. 42 S. 2 EGBGB) unberührt. Damit sind insbesondere Versicherungen, aber auch andere Personen geschützt, die zur Erbringung von Ersatzleistungen potenziell verpflichtet sind (Unterhaltspflichtige, Arbeitgeber, Sozialversicherer usf.). Für sie gilt die Rechtswahl nicht, so dass deren Einbeziehung in eine Rechtswahlvereinbarung zu empfehlen ist: