Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
a) Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO (Günstigkeitsprinzip für Verbraucher)
Rz. 50
Der Verbraucher kann sich ungeachtet des gewählten Rechts gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO auf die für ihn günstigeren zwingenden Verbraucherschutzvorschriften seines Aufenthaltsstaats stützen. Dies gilt für jede Art von Verbrauchergeschäften. Ausgenommen sind nur die Verbrauchergeschäfte in Art. 6 Abs. 4 lit. a–c Rom I-VO (aber mit Rückausnahmen für Pauschalreisen und Timesharingverträge, Art. 6 Abs. 4 lit. b u. c Rom I-VO). Geschützt wird grundsätzlich nur der passive Verbraucher, der im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts von dem Anbieter adressiert wird (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) und b) u. Erwägungsgrund (25 S. 2) Rom I-VO). In diesen Fällen bleiben die zwingenden Vorschriften des Verbraucherlandes anwendbar, die für den Verbraucher günstiger sind als die zwingenden Vorschriften des gewählten Rechts. Erfolgt eine Rechtswahl durch AGB, so muss der Verbraucher auf den Schutz durch Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO ausdrücklich hingewiesen werden (siehe Muster Rdn 51). Betroffen sind all jene gesetzlichen Bestimmungen, die auf den Ausgleich typischer Ungleichgewichtslagen zwischen den Parteien gerichtet sind, ohne deshalb spezifische Verbraucherschutzvorschriften sein zu müssen. Bei inländischen Verbrauchern kommen für den einzelfallbezogenen Günstigkeitsvergleich danach bspw. die allgemeinen Schutzvorschriften der Rechtsgeschäftslehre (§§ 134–138, 242, 276 Abs. 3, 311b Abs. 2–5 BGB) wie auch speziellere Bestimmungen in Betracht, etwa jene über den Reisevertrag (§§ 651a ff. BGB), Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB), Verbraucherverträge im Allgemeinen (§§ 312, 312a BGB), Fernabsatzverträge (§§ 312c ff.), Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312j BGB), Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) und Verbraucherdarlehen (§§ 491 ff. BGB). Der Rechtswahlvertrag mit einem Verbraucher muss zwingend den Formvorschriften des Verbraucherlandes entsprechen (Art. 6 Abs. 2 S. 1, 3 Abs. 5, 11 Abs. 4 Rom I-VO).
b) Muster: Rechtswahlklausel in Verbraucherverträgen (AGB)
Rz. 51
Muster 22.8: Rechtswahlklausel in Verbraucherverträgen (AGB)
Muster 22.8: Rechtswahlklausel in Verbraucherverträgen (AGB)
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Dieser Vertrag – einschließlich der Form seines Zustandekommens sowie sämtlicher sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten – unterliegt dem deutschen Recht. Zwingende Schutzvorschriften des Rechts des Staates, in dem der Vertragspartner, der Verbraucher ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bleiben anwendbar.
c) Art. 46b EGBGB (Drittlandwahl)
Rz. 52
Art. 46b EGBGB kommt nur nachrangig zur Anwendung, wenn
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die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO nicht erfüllt sind (etwa für aktive deutsche Urlauber im Ausland oder für die nach Art. 6 Abs. 4 Rom I-VO ausgeschlossenen Fälle) oder |
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die Rechtswahl zum Recht eines Nicht-EU oder Nicht-EWR Mitgliedstaates (Drittland) führt. |
Anzuwenden sind nach Art. 46b EGBGB die Umsetzungsgesetze der Verbraucherschutzrichtlinien (abschließend aufgezählt in Art. 46b Abs. 3 EGBGB). Berufen ist dasjenige Recht, zu dessen Gebiet der Vertrag eine enge Beziehung aufweist (Regelbeispiele hierfür in Art. 46b Abs. 2 EGBGB). Eine Sonderregelung enthält Art. 46b Abs. 4 EGBGB speziell für Time-Sharing-Immobilien, die in einem EU-/EWR-Staat belegen sind. Ungeachtet einer Drittlandwahl sind immer die Vorschriften des BGB über Teilzeit-Wohnrechteverträge (§§ 481–487 BGB)...