Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
Rz. 73
Für Erbfälle ab dem 17.8.2015 gilt die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4.7.2012 (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO, siehe Rdn 19). Jedoch werden Rechtswahlvereinbarungen, die vor diesem Stichtag erfolgt sind und nach bisherigem Recht wirksam waren, auch für Erbfälle nach dem Stichtag für wirksam erklärt (Art. 83 Abs. 2–4 EuErbVO), so dass sie weiterhin zu beachten sind.
Die EuErbVO knüpft grundsätzlich an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO). In Ausnahmefällen kann auf eine Rechtsordnung ausgewichen werden, mit der der Sachverhalt eine offensichtlich engere Verbindung aufweist (Art. 21 Abs. 2 EuErbVO). Die Rechtswahlmöglichkeit wird durch Art. 22 EuErbVO dahin erweitert, dass ohne eine gegenständliche Beschränkung das Heimatrecht des Erblassers (das Recht seiner Staatsangehörigkeit oder bei Mehrstaatern einer seiner Staatsangehörigkeiten) gewählt werden kann.
a) Anwendbarkeit (sachlich, zeitlich)
Rz. 74
Vorrangig gegenüber den Regeln der EuErbVO (Art. 75 Abs. 1) sind bestehende bi- und multilaterale Staatsverträge. So gilt vorrangig der deutsch-türkische Konsularvertrag vom 28.5.1929, der eine Rechtswahl nicht vorsieht. Für türkische Staatsangehörige in Deutschland gilt die objektive Anknüpfung nach § 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags: Danach findet auf den beweglichen Nachlass das Recht der Staatsangehörigkeit und für den unbeweglichen Nachlass das Recht am Ort der Belegenheit (lex rei sitae) Anwendung. Grundvermögen eines türkischen Erblassers in Deutschland untersteht danach bereits nach objektiver Anknüpfung dem deutschen Recht.
Rz. 75
Auch nach dem deutsch-sowjetischen Konsularvertrag vom 25.4.1958 ist kraft objektiver Anknüpfung für unbewegliche Nachlassgegenstände das Recht am Belegenheitsort anzuwenden (lex rei sitae; Art. 28 Abs. 3 Abk.).
Rz. 76
Das grundsätzlich ebenfalls vorrangige deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 unterscheidet hingegen nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Nachlass (Art. 8 Abs. 3 Abk.), so dass in seinem Anwendungsbereich einheitlich an die Staatsangehörigkeit anzuknüpfen ist. Lediglich Doppelstaater mit der deutschen und iranischen Staatsangehörigkeit sowie Flüchtlinge und Asylberechtigte können eine Rechtswahl nach der EuErbVO vornehmen.
Rz. 77
Art. 25 EGBGB a.F. bleibt auf Erbfälle anzuwenden, die ab dem 1.9.1986 und bis einschließlich 16.8.2015 eingetreten sind (Art. 220 Abs. 1 EGBGB). Die EuErbVO ist auf Erbfälle anzuwenden, die ab dem 17.8.2015 eintreten, jedoch kann bereits vor dem Stichtag nach Maßgabe der EuErbVO gewählt werden (Art. 83 EuErbVO, siehe Rdn 73).
b) Form und Inhalt der Erbrechtswahl
Rz. 78
Die Wahl muss in eine Verfügung von Todes wegen aufgenommen werden (Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament, Testament). Die Auslegung des Erblasserwillens muss eine entsprechende Rechtswahl unzweifelhaft ergeben (Art. 22 Abs. 2 EuErbVO). Der Erblasser konnte nach Art. 25 EGBGB a.F. auch nur für ein einzelnes Grundstück eine solche Rechtswahl verfügen, so dass für das übrige im Inland belegene Grundvermögen das Heimatrecht des Erblassers in Geltung bleibt. Die gegenständliche Beschränkung der Rechtswahl ist nach der EuErbVO nicht mehr zulässig.
Rz. 79
Die letztwillige Verfügung muss den Erfordernissen des deutschen Erbrechts entsprechen (§§ 2064 ff.; 2229 ff.; 2265 ff.; 2274 ff. BGB). Abzustellen ist auf die entsprechenden Vorschriften des (hypothetischen) Erbstatuts (Art. 23 u. 24–26 EuErbVO). Hinsichtlich der Form genügt es, wenn die Verfügung nach einer der in Art. 26 EGBGB (Art. 27 EuErbVO) alternativ zur Wahl gestellten Rechte formwirksam ist. Die Rechtswahl kann jederzeit frei durch eine Verfüg...