Rz. 50

Der Verbraucher kann sich ungeachtet des gewählten Rechts gem. Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO auf die für ihn günstigeren zwingenden Verbraucherschutzvorschriften seines Aufenthaltsstaats stützen.[138] Dies gilt für jede Art von Verbrauchergeschäften. Ausgenommen sind nur die Verbrauchergeschäfte in Art. 6 Abs. 4 lit. a–c Rom I-VO (aber mit Rückausnahmen für Pauschalreisen und Timesharingverträge, Art. 6 Abs. 4 lit. b u. c Rom I-VO). Geschützt wird grundsätzlich nur der passive Verbraucher, der im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts von dem Anbieter adressiert wird (Art. 6 Abs. 1 Buchst. a) und b) u. Erwägungsgrund (25 S. 2) Rom I-VO).[139] In diesen Fällen bleiben die zwingenden Vorschriften des Verbraucherlandes anwendbar, die für den Verbraucher günstiger sind als die zwingenden Vorschriften des gewählten Rechts. Erfolgt eine Rechtswahl durch AGB, so muss der Verbraucher auf den Schutz durch Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO ausdrücklich hingewiesen werden (siehe Muster Rdn 51).[140] Betroffen sind all jene gesetzlichen Bestimmungen, die auf den Ausgleich typischer Ungleichgewichtslagen zwischen den Parteien gerichtet sind, ohne deshalb spezifische Verbraucherschutzvorschriften sein zu müssen.[141] Bei inländischen Verbrauchern kommen für den einzelfallbezogenen Günstigkeitsvergleich danach bspw. die allgemeinen Schutzvorschriften der Rechtsgeschäftslehre (§§ 134138, 242, 276 Abs. 3, 311b Abs. 25 BGB) wie auch speziellere Bestimmungen in Betracht, etwa jene über den Reisevertrag (§§ 651a ff. BGB), Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB), Verbraucherverträge im Allgemeinen (§§ 312, 312a BGB), Fernabsatzverträge (§§ 312c ff.), Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312j BGB), Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB) und Verbraucherdarlehen (§§ 491 ff. BGB). Der Rechtswahlvertrag mit einem Verbraucher muss zwingend den Formvorschriften des Verbraucherlandes entsprechen (Art. 6 Abs. 2 S. 1, 3 Abs. 5, 11 Abs. 4 Rom I-VO).[142]

[138] Der hier anzustellende Günstigkeitsvergleich erfolgt von Amts wegen und setzt bei dem konkreten Verbraucherbegehren an. Das Recht seines Aufenthaltslandes garantiert dem Verbraucher damit einen Mindeststandard an Verbraucherschutz, vgl. MüKo-BGB/Martiny, Art. 6 Rom I-VO Rn 63; Palandt/Thorn, Art. 6 Rom I-VO Rn 8.
[139] Erweiternd aber zur Parallelvorschrift über den Verbrauchergerichtsstand EuGH v. 17.10.2013 – C-218/12 – Emrek, NJW 2013, 943 (Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVO (2015)). Danach muss das "Ausrichten" der unternehmerischen Tätigkeit auf den Verbraucherstaat nicht ursächlich für den Vertragsschluss geworden sein. Die Übertragbarkeit dieser Rspr. auf Art. 6 Rom I-VO ist eine noch offene Frage. Eine Ausweitung durch analoge Anwendung kommt jedenfalls nicht in Betracht, vgl. Palandt/Thorn, Art. 6 Rom I-VO Rn 1. Zur Diskussion nach früherem Recht vgl. BGHZ 135, 124, 134 (Time-Sharing-Verträge). Zu den sog. Gran Canaria-Fällen, dh Kauf- oder Time-Sharingverträge deutscher Verbraucher im Ausland (Gran Canaria): Jayme, IPRax 1995, 234; LG Tübingen NJW 2005, 1513, 1514.
[140] EuGH v. 28.7.2016 – C-191/15, NJW 2016, 2727 – Amazon (Rechtswahlklausel in AGB ist i.S.v. Art. 5 S. 1 der RL 93/13/EWG (ABl 1993 L 95, 29) missbräuchlich, weil irreführend, wenn nicht auf den Verbraucherschutz nach Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO hingewiesen wurde); Mankowski, NJW 2016, 2705; Kaufhold, EuZW 2016, 247.
[141] BGH IPRax 2005, 150 (§ 138 BGB: überhöhte anwaltliche Stundenhonorare bei Auslandsmandat). Dazu Anm. Spickhoff, IPRax 2005, 125, Staudinger, IPRax 2005, 129 u. Mankowski, AnwBl. 2004, 63 f.
[142] Zu Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen siehe auch BGH IPRax 2013, 557 ff. m. Anm. Roth, IPRax 2013, 515.

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