Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
Rz. 30
Für die Vertragspraxis ist die Rechtswahlfreiheit als kollisionsrechtlicher Anwendungsfall der Parteiautonomie bedeutsam, sei es, um die häufig schwer kalkulierbare Anwendung ausländischen Rechts zu vermeiden, sei es, um ein bestimmtes Ergebnis nach fremdem Recht gezielt herbeizuführen oder nur, um ein bestimmtes Recht zu fixieren, das auch im Falle eines Wegzugs in ein anderes Land weiter gelten soll. Die Wahl einer Rechtsordnung führt zur Befreiung von denjenigen zwingenden Bestimmungen, die ohne diese Wahl gelten würden. Übernommen werden dafür die zwingenden Bestimmungen des gewählten Rechts. Nicht abwählbar sind international zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO, 16 Rom II-VO).
Rz. 31
Die Parteiautonomie geht weiter als die Privatautonomie. Letztere nutzt "nur" die Dispositionsspielräume innerhalb einer Rechtsordnung. Durch sie ist zwar ebenfalls eine Inkorporation konkret bestimmbarer ausländischer Rechtssätze möglich und wie in reinen Inlandsfällen zugelassen (vgl. ErwG. (13) Rom I-VO; vgl. Rdn 2). Auf diesem Wege kann auch eine Einbeziehung nichtstaatlichen Rechts (Verbandsrecht [bspw. im Sport], Sharia, UNIDROIT-Principles, Principles of European Contract Law, sog. Cyberlaw) stattfinden, etwa in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder durch konkreten Verweis auf diese Regelwerke. Das ist nichts anderes, als würde man diese Regeln in den Vertrag hineinschreiben, wie es bei den zum Teil sehr umfangreichen Vertragswerken im internationalen Handel regelmäßig auch geschieht (zB: Incoterms wie free on board ("fob Hamburg") usw.).
Gleichzeitig unterliegen die so inkorporierten Normen damit aber auch den Rahmenregeln der Rechtsordnung, die für den Vertrag gelten. Das objektive Vertragsstatut oder die meist ergänzend eingestellte Rechtswahlklausel (oft am Ende etwa unter Miscellaneous: […] This agreement shall be governed by German Law. oder Le contrat est soumis au droit allemand.) bestimmt dann die staatliche Rahmenordnung (sog. Einbettungsstatut), deren Dispositionsspielräume genutzt werden. Einbeziehung und Wirksamkeit der jeweils inkorporierten Regeln richten sich nach den Regeln des Vertragsstatuts, bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts nach den §§ 134, 138, 242, 305–310 BGB, § 346 HGB. Zur möglichen Kombination aus Inkorporation und Rechtswahl siehe das Muster Rdn 40. Eine weitergehende Autonomie besteht im Fall von Schiedsabreden. Vor Schiedsgerichten kann auch nichtstaatliches Recht gewählt werden (§ 1051 Abs. 2 ZPO; vgl. Rdn 81 ff.) oder bei entsprechender Ermächtigung durch die Parteien nach Billigkeit zu entscheiden sein (§ 1051 Abs. 3 ZPO).
Rz. 32
Rechtswahl und Gerichtsstandbestimmung sollten aufeinander abgestimmt sein und idealerweise gleich laufen (deutscher Gerichtsstand und deutsches Recht). Bei einem ausländischen Gerichtsstand ist gesondert zu klären, ob nach dem IPR des ausländischen Forums auch die gewünschte Rechtswahl zulässig ist (vgl. Rdn 5).