Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
1. EU-Verordnungen
Rz. 19
Mehrere EU-Verordnungen ersetzen im Umfang ihres Anwendungsbereiches das deutsche Kollisionsrecht (EGBGB) vollständig (Auflistung in Art. 3 Nr. 1 lit. a–g EGBGB):
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Die EG-VO Nr. 593/2008 v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). Die Verordnung gilt für Vertragsschlüsse ab dem 17.12.2009 (Art. 28 Rom I-VO). Für Altfälle gelten die Art. 27 ff. EGBGB a.F., 3 ff. EVÜ. |
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Die EG-VO Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) v. 11.7.2007 gilt für schadensbegründende Ereignisse ab dem 11.1.2009 (Art. 31 f.). Die Art. 38–42 EGBGB gelten außer für Altfälle noch für Spezialmaterien, wie etwa Persönlichkeitsdelikte, und wurden daher nicht aufgehoben. |
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Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Anerkennung und Vollstreckung und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUnthVO) verweist in ihrem Art. 15 auf das Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht. |
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Die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III) gilt für 14 der 27 EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, seit 21.6.2012, für Litauen, Griechenland und Estland jeweils ab späteren Zeitpunkten (Art. 21 Rom III-VO). |
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EU-Verordnungen zum anwendbaren Recht im Ehegüterrecht (VO (EU) Nr. 2016/1103) und im Güterrecht von eingetragenen Partnerschaften (VO (EU) Nr. 2016/1104) (EuGüVO und EuPartVO = Rom IVa-VO und Rom IVb-VO) gelten ab 29.1.2019 für derzeit 18 Mitgliedstaaten (Art. 70 Abs. 2). |
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Die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO = Rom V-VO) gilt für Erbfälle ab dem 17.8.2015. |
Die genannten Verordnungen gelten auch für Drittstaatensachverhalte, so dass sie in ihrem sachlichen Anwendungsbereich das nationale Kollisionsrecht vollständig ersetzen.
In anderen EU-Verordnungen kommen sehr vereinzelt ebenfalls Kollisionsnormen vor. Dabei handelt es sich um Sachnormverweisungen auf das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten (Art. 2 Abs. 1, 15 Abs. 1, 19 Abs. 1 EWIV-Verordnung (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung), Art. 9 Abs. 1c, 5, 15 Abs. 1, 51, 53, 61–63 SE-VO (Societas Europaea); vgl. § 31, "Personengesellschaften", und § 1, "Aktienrecht") oder um Gesamtverweisungen, die auf das jeweilige nationale Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts verweisen, etwa bei einzelnen unionsweiten gewerblichen Schutzrechten (z.B. Art. 88 Abs. 2 VO Nr. 6/02 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und ähnlich Art. 97 VO Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, nicht jedoch Art. 129 VO Nr. 2017/1001 über die Unionsmarke sowie Art. 7 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 1257/2012 über das Einheitspatent – EU-PatVO).
Eine – praktisch bedeutsame – Sonderstellung nimmt die in Art. 3 DS-GVO (= Datenschutzgrundverordnung, VO Nr. 2016/679) enthaltene Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs der DS-GVO ein, die die internationale Anwendbarkeit der DS-GVO öffentlich und privatrechtlich einheitlich regelt und somit eine hybride (einseitige) Kollisionsnorm darstellt.
2. EU-Richtlinien
Rz. 20
Auch in einigen EU-Richtlinien sind kollisionsrechtliche Vorschriften enthalten. Die Rom-VOen haben diese Vorschriften nicht aufgehoben, sondern deren kollisionsrechtliche Regeln als vorrangig ausgewiesen (Art. 23 Rom I-VO, Art. 27 Rom II-VO). Das Richtlinienrecht erlangt erst durch die entsprechenden mitgliedstaatlichen Umsetzungsgesetze Geltung (§ 46b EGBGB für die in Abs. 4 aufgelisteten RiLi). Daneben verweisen einige Richtlinien auf Vorschriften des Herkunftslandes, umgesetzt etwa in § 3 Abs. 1–3 TMG. Richtlinien, die nicht rechtzeitig umgesetzt wurden, können im Privatrechtsverhältnis nicht angewendet werden (keine horizontale Direktwirkung = keine unmittelbare Drittwirkung von Richtlinien).
Rz. 21
Das Unionsrecht ist bei der...