Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
1. Anknüpfung von Hauptgeschäft und Grundverhältnis der Stellvertretung
Rz. 126
Das auf Fragen der Stellvertretung und Vollmacht anzuwendende Recht ist nicht geregelt. Für das Innenverhältnis gelten die Kollisionsnormen für die entsprechenden Geschäfte (wie etwa Auftrag, Geschäftsbesorgung, Dienst- oder Agenturvertrag, dh die Art. 3 ff. Rom I-VO).
2. Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht)
Rz. 127
Im Bereich der gesetzlichen Vertretung werden Innen- und Außenverhältnis nicht unterschieden und bestimmt durch:
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Art. 21 EGBGB für die gesetzliche Vertretung Minderjähriger (Sorgerecht der Eltern). |
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Art. 24 EGBGB für Vormundschaft, Pflegschaft und Betreuung. |
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Gesellschaftsstatut (Recht am Gründungs- oder Verwaltungssitz einer Gesellschaft). |
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Art. 12 EGBGB für den Verkehrsschutz in Fällen gesetzlicher Vertretung nach ausländischem Recht. |
Dagegen ist die Anknüpfung der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) weder unionsrechtlich (Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom I-VO) noch staatsvertraglich noch durch eine Kollisionsnorm des EGBGB geregelt. Rechtsprechung und h.M. stellen auf den Gebrauchsort der Vollmacht (Ort der Abgabe oder der Entgegennahme der Vertretererklärung) ab. Das gilt auch für die Rechtsscheinvollmacht (Ort der Rechtsscheinwirkung). Eine Rechtswahl speziell für die Vollmacht ist zulässig, muss aber gegenüber dem Geschäftspartner ausdrücklich klargestellt werden. Es gelten ferner eine Reihe von Ausnahmen von dem Grundsatz des Gebrauchsortes:
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Vertreter mit ständiger Niederlassung zugunsten des Rechts am Sitz der Niederlassung, |
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Prokuristen am Ort der Geschäftsleitung, |
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Schiffskapitän nach dem Recht der Flagge, |
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Börsen-, Markt- und Messevollmachten nach dem Ortsrecht der Börse, Messe usf., |
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Ehegattenvollmacht nach ihrem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, |
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Verfügungsgeschäfte über Grundstücke nach dem Belegenheitsrecht des Grundstücks, |
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anwaltliche Prozessvollmacht nach der lex fori. Der Gerichtsort muss nicht stets mit dem Gebrauchsort übereinstimmen (vgl. Rdn 132), |
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Konnossemente am Ort der Ausstellung. |
Rz. 128
Für den Gebrauch einer Vollmacht im Inland gilt – von den vorgenannten Ausnahmen abgesehen – das deutsche Recht. Daher ergeben sich in auslandsverknüpften Fällen aus deutscher Sicht sachlich keine Besonderheiten gegenüber einer reinen Inlandsvollmacht. Das kann sich ändern, sofern die Wirksamkeit des Hauptgeschäfts oder der Vollmacht vor ausländischen Gerichten oder Behörden durchgesetzt werden muss (vgl. Rdn 5).
3. Form der Vollmacht
Rz. 129
Die Formerfordernisse der Vollmacht richten sich gesondert nach Art. 11 Rom I-VO bzw. 11 EGBGB (vgl. Rdn 121). Eine im Ausland erteilte Vollmacht in schwächerer, etwa schriftlicher Form (Ortsform am Ausstellungsort der Vollmacht, Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB) genügt auch, wenn nach deutschem Recht die Vollmacht der Form des Hauptgeschäfts entsprechen muss. Die unwiderrufliche Auflassungsvollmacht (Grundstückserwerbs- oder Veräußerungsvollmacht) für ein inländisches Grundstück einschließlich der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) können damit im Ausland nach dortiger Ortsform wirksam erteilt werden. Ein Formverbund von Vollmacht und Hauptgeschäft ist aufgrund der Anwendbarkeit des Art. 11 EGBGB ausgeschlossen. Den Formerfordernissen des § 29 GBO kann entsprochen werden durch die öffentliche Beglaubigung eines ausländischen Notars und/oder – falls vom Grundbuchamt gefordert – durch anschließende Legalisation durch die deutsche Auslandsvertretung.
Rz. 130
Soll die Vollmacht auch aus der Sicht anderer ausländischer Rechtsordnungen wirksam sein, insbesondere grenzüberschreitend in mehreren Ländern eingesetzt werden können, so ist deren Kollisionsrecht und ggf. Sachrecht auf die entsprechenden Erfordernisse hin zu prüfen. Zur praktischen Vereinfachung hat die Union Internationale du Notariat Latin (U.I.N.L.) für das Lateinische Notariat eine Sammlung internationaler Vollmachten herausgegeben. Es handelt sich dabei um im internationalen Rechtsverkehr benutzte Vollmachten in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Portugiesisch und Russisch. Diese sind auch elektronisch entgeltlich abrufbar unter http://www.irene.de. Allerdings ist die Wirksamkeit dieser Vollmachten damit nicht gesichert. Die Sprachversionen erleichtern die Erstellung von Vollmachten für eine Verwendung im Ausland. Sie sind im Vergleich zu inländischen Vollmachten detaillierter formuliert und um spezifizierte Angaben zu einzelnen Ermächtigungen ergänzt.