Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
1. Zulässigkeit und Inhalt der Rechtwahl (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO)
Rz. 34
Die Rechtswahlabrede ist ein verselbstständigter Vertrag im Vertrag. Das gilt auch dann, wenn er durch eine einfache Klausel ggf. in AGB vereinbart wurde (Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO). Dieser Verweisungsvertrag kann zu jeder Zeit, insbesondere auch erst nachträglich (im Prozess) geschlossen, aufgehoben oder geändert werden (Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO).
Die Wahl wird regelmäßig positiv auf ein bestimmtes Recht hin formuliert. Möglich ist aber auch eine negative Wahl ("Dieser Vertrag untersteht nicht dem deutschen Recht."). Damit wird nur die genannte Rechtsordnung ausgeschlossen. Durch objektive Anknüpfung ist dann das ohne Rechtwahl anwendbare Recht festzustellen (vgl. Rdn 94).
Rz. 35
Die Wahl kann auf eine oder mehrere trennbare selbstständige Rechtsfragen bezogen werden. Dabei können nur einzelne oder auch mehrere Vertragsteile jeweils einer anderen Rechtsordnung unterstellt werden (Teilrechtswahl gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO). So lässt sich etwa der Vertragsschluss einer Rechtsordnung, dagegen die Erfüllung einer anderen Rechtsordnung zuweisen.
Die Rechtswahl kann auch unter eine Bedingung gestellt werden (im Falle der Klageerhebung durch Partei X gilt das Recht von […]) und/oder mit einer Gerichtsstandvereinbarung verknüpft werden (bei Klagerhebung in E gilt das Recht von E) (sog. floating choice of law-clauses).
Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilen sich nach dem gewählten Recht. Dieses bestimmt auch über die Auslegung oder Nichtigkeit Art. 10 Abs. 1, Art. 12 Rom I-VO sowie über die Formerfordernisse. Die Parteien können die Ortsform aber ausdrücklich genügen lassen. Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO bleibt dann ungeachtet der Rechtswahl für den Hauptvertrag anwendbar.
Rz. 36
Die Wahl richtet sich auf die innerstaatlich geltenden Sachnormen einer frei wählbaren Rechtsordnung ggf. die einer Gebietseinheit (Art. 22 Rom I-VO). Sie sollte möglichst umfassend formuliert werden. Im unternehmerischen Verkehr kann die Vereinbarung auch auf außervertragliche Ansprüche erweitert werden (siehe Rdn 57). Zu beachten ist, dass zum gewählten Sachrecht auch die Vorschriften des sog. Einheitsrechts zählen (siehe Rdn 2). Die Wahl der Klausel "Auf den Vertrag findet deutsches Recht Anwendung." führt daher z.B. im Bereich des Warenkaufs zu dem in grenzüberschreitenden Sachverhalten vorrangigen UN-Kaufrecht und nicht zu den Regelungen im BGB. Sofern der Ausschluss der Anwendung des UN-Kaufrechts sinnvoll ist, ist hier die Hinzufügung einer Ausschlussklausel erforderlich.
Rz. 37
Die Rechtswahlklausel bestimmt das auf den Vertrag anwendbare Recht, soweit es um dessen Zustandekommen, seine Wirksamkeit und Erfüllung geht, lässt aber die selbstständig anzuknüpfenden Regelungsgegenstände weiterer Kollisionsnormen unberührt, auch wenn sie im Vertrag inhaltlich reflektiert werden, etwa dingliche Rechtsverhältnisse und außervertragliche Ansprüche (sog. selbstständige Anknüpfung, vgl. Rdn 110). Die daraus folgende Anwendbarkeit ausländischen Rechts jenseits des für den Vertrag gewählten Rechts wird in der Praxis oft übersehen, was zu einer Vervielfachung des Haftungsrisikos zu Lasten einer Partei führen kann. So haftet der Verkäufer einer Ware an einen Weiterverkäufer im Wege der Rechtsmängelhaftung bei Abwesenheit eines entsprechenden Haftungsausschlusses mit dem Weiterverkäufer grundsätzlich für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums Dritter in den Staaten, in denen die Ware weiterveräußert wird. Erfolgt die Weiterveräußerung in mehrere Staaten, bewirkt das bei Rechten des geistigen Eigentums geltende Schutzlandprinzip eine Vervielfachung des Haftungsrisikos des Verkäufers. Art. 42 UN-Kaufrecht sieht für derartige Fälle eine Wirkungsbeschränkung zugunsten des Verkäufers vor. Dieser haftet lediglich (1) bei Kenntnis oder Kennenmüssen der betreffenden Rechte und (2) sofern die Ansprüche Dritter nach dem Recht des Weiterverkaufsstaates bestehen, soweit dieses bei Vertragsschluss von beiden Parteien in Betracht gezogen wurde, ersatzweise nach dem Recht des Staates, in dem der Käufer seine Niederlassung hat. Waren dem Käufer die Rechte Dritter bei Vertragsschluss bekannt oder musste er sie kennen, haftet der Verkäufer nicht. Wird das UN-Kaufrecht ausgeschlossen, empfiehlt sich in internationalen Warenkaufverträgen die Aufnahme einer entsprechenden Regelung.