Prof. Dr. Götz Schulze, Dr. Sven Schilf
1. Sprachrisiko
Rz. 133
Die EU hat derzeit 24 Amtssprachen. Eine unionsrechtliche Regelung über den Sprachengebrauch existiert für den Privatrechtsverkehr nicht. Die EU hat in einzelnen Richtlinien den Gebrauch bestimmter, dem Kunden verständlicher Vertragssprachen vorgeschrieben, oder aber die Vertragssprache ganz der Regelung durch die Mitgliedstaaten überlassen. Entsprechend ist nach dem jeweils auf das Rechtsgeschäft anzuwendenden Sachrecht zu klären, ob eine Partei den Inhalt einer Erklärung aus sprachlichen Gründen verstehen musste, bzw. welche Folgen es an ein Nicht- oder Missverstehen knüpft (sog. Sprachrisiko). Ein kollisionsrechtlicher Schutz durch eine Sonderanknüpfung an das Umweltrecht der sprachbenachteiligten Partei über Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO ist von der Rechtsprechung nur in Ansätzen anerkannt (für die Einbeziehung von AGBG). Maßgebend ist das Vertragsstatut.
Rz. 134
Das deutsche Sachrecht kennt keine allgemeine gesetzliche Regelung. Die Verständnisfrage ist damit Teil der Regeln über den Vertragsschluss, der Auslegung und des Irrtums. Die Unterschrift unter eine (aus Gründen der Sprachkompetenz) nicht verstandene Urkunde berechtigt nicht zur Anfechtung. Ein so begründeter Inhaltsirrtum ist unbeachtlich. Der Ausländer trägt im Inland daher grundsätzlich das Sprachrisiko. Ausnahmen können sich aus Treu und Glauben ergeben, etwa wenn der deutschsprachige Geschäftspartner erkannt hat, dass der Ausländer aufgrund seiner Sprachunkundigkeit Erklärungen nicht verstanden hat. Dabei kommt es entscheidend auf das Auftreten des Ausländers an.
2. Sprachenregelung (AGB, Individualabrede)
Rz. 135
Zunächst ist zu entscheiden, ob es sich bei den AGB um ausländische oder inländische AGB in ausländischer Sprache handelt bzw. handeln soll. Inländische fremdsprachige AGB sind bei Kenntnis oder Kennenmüssen von ihrer Verwendung wirksam einbezogen. Deutschsprachige AGB gegenüber einem Ausländer ebenso. Es empfiehlt sich in jedem Falle aber ein ausdrücklicher, deutlich sichtbarer und verständlicher Hinweis auf die AGB-Verwendung und zwar entweder in einer Weltsprache (Englisch: "Our standard terms of business will apply in the contract.", Französisch: "Le contrat inclut nos conditions générales."“) oder in der Verhandlungssprache. Da bei Inlandsgeschäften Deutsch meist die Verhandlungssprache ist, genügt ein deutschsprachiger Hinweis. Ferner muss im nichtunternehmerischen Verkehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehen (§ 305 Abs. 2 BGB). Einer Übersetzung bedarf es in der Regel nicht. Ausnahmen können sich aus Billigkeitserwägungen ergeben.
Rz. 136
Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Vertragssprache ist zulässig und untersteht als Vertragsbestandteil dem jeweiligen Vertragsstatut (Art. 3 ff. Rom I-VO). Die ausdrückliche Vereinbarung einer möglichst von beiden Parteien verstandenen Vertragssprache sollte in den Vertrag aufgenommen werden. Vermieden wird damit der spätere Einwand, bestimmte Vertragsinhalte in der vereinbarten Sprache nicht gekannt oder nicht verstanden zu haben. Eröffnet wird aber der Einwand, anderssprachige Erklärungen oder AGB nicht verstanden zu haben. Eine Festlegung wird sich nicht immer durchsetzen lassen. Ist der Vertrag in mehreren Sprachen abgefasst, so ist es hilfreich, für den Fall von Widersprüchen und Zweifeln einer Vertragssprache den Vorrang einzuräumen.