Dr. Katharina Hemmen, Dr. Julian Schick
Rz. 15
Der Staat hat im Stiftungsrecht weit reichende Befugnisse. Bereits bei der Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts bedarf es der Mitwirkung des Staates. Die Stiftung entsteht nicht allein durch das Stiftungsgeschäft. Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts ist daneben die Anerkennung durch die Stiftungsbehörde erforderlich, vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 BGB (bis 30.6.2023: § 80 Abs. 1 BGB aF). Die Anerkennung der Stiftung erfolgt durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt. Sodann unterliegen rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts einer laufenden Überwachung durch die Stiftungsbehörden. Als notwendig wird die Stiftungsaufsicht angesehen wegen der eigenartigen Rechtsgestalt der Stiftung und dem damit verbundenen Defizit mangelnder Eigentümer- oder Mitgliederkontrolle. Adressat von Aufsichtsmaßnahmen ist grundsätzlich die Stiftung. Die Stiftungsbehörde kann der Stiftung durch einen hoheitlichen Akt eine andere Zweckbestimmung geben oder sie ganz aufheben, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder die Stiftung das Allgemeinwohl gefährdet, vgl. § 87 Abs. 1 BGB. Seit dem 1.7.2023 soll die Stiftungsbehörde die Stiftung aufheben, wenn die Stiftung ihren Zweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann oder der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet und ein Tätigwerden der Behörde erforderlich ist, weil das zuständige Organ über die Auflösung nicht rechtzeitig entscheidet, vgl. bzw. § 87a Abs. 1 BGB nF i.V.m. § 85 Abs. 1 BGB nF). Unter den entsprechenden Voraussetzungen kann die Stiftungsbehörde den Zweck ändern, vgl. § 85a Abs. 2 BGB nF i.V.m. § 85 Abs. 1 BGB nF.
Rz. 16
Diese Kompetenzen der Stiftungsbehörden stehen in einem Spannungsverhältnis zur Stifterfreiheit und Stiftungsautonomie. Die Errichtung einer Stiftung ist sowohl privater Gemeinwohlbeitrag als auch Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit zur Teilhabe an der Gemeinschaft. Im Schrifttum wird daher auch überwiegend angenommen, Art. 14 Abs. 1 GG gewähre ein Grundrecht auf Stiftung als eine bestimmte Form der Nutzung privaten Eigentums. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts aus dem Jahr 2002 hat der Gesetzgeber ausdrücklich das Recht auf Anerkennung einer rechtsfähigen Stiftung normiert. Damit hat er letztlich dem Grundrecht auf Stiftung einfachgesetzlich Rechnung getragen.
Rz. 17
Neben der Stifterfreiheit umfasst das sog. Grundrecht auf Stiftung auch den Grundrechtsschutz der Stiftung selbst. Aufgrund einer grundrechtstypischen Gefährdungslage hat das BVerfG den Grundrechtsschutz der Stiftung anerkannt, obwohl ihr das "personale Substrat" fehlt. Somit sind rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts als juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG und als Träger von Grundrechten anzusehen. Die im Errichtungsstadium stehende Stiftung kann sich nach hier vertretener Auffassung ebenfalls auf den Grundrechtsschutz berufen. Als Grundrechte einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts kommen insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht.
Rz. 18
Die Befugnisse des Staates stehen nicht zur Disposition des Stifters. Die Eingriffsmöglichkeiten bestehen hier nicht wie in den klassischen Bereichen der Wirtschaftsaufsicht aufgrund einer bestimmten Tätigkeit und der ihr beigemessenen potentiellen Gefährlichkeit, sondern bereits aufgrund der Rechtsform. Keine andere juristische Person privaten Rechts ist einer derart umfassenden Kontrolle unterworfen. Infolge der Grundrechtsfähigkeit der Stiftung sind den Stiftungsbehörden jedoch Grenzen gesetzt.
Rz. 19
Nach dem Grundsatz der Subsidiarität sind Maßnahmen der Stiftung bzw. ihrer Organe grundsätzlich der Vorrang vor einem behördlichen Einschreiten einzuräumen. Darin kommt die grundrechtlich geschützte Stiftungsautonomie zum Ausdruck und damit trägt das Stiftungsrecht der Tatsache Rechnung, dass die Stiftung Grundrechtsträger mit eigener und vorrangiger Regelungskompetenz ist. Die Erforderlichkeit staatlicher Aufsicht steht insbesondere dann in Frage, wenn die Stiftungsorganisation interne Kontrollorgane vorhält, die eine satzungsmäßige Stiftungstätigkeit gewährleisten.
Rz. 20
Darüber hinaus haben die Stiftungsbehörden den das gesamte Öffentliche Recht prägenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt, dass milderen Maßnahmen gegenüber schwerer wiegenden Eingriffen Vorrang einzuräumen ist. Die Stiftungsbehörden sind an diese Grundsätze bei der Ausübung der ihnen gesetzlich eingeräumten Befugnisse gebunden.