Dr. Katharina Hemmen, Dr. Julian Schick
Rz. 145
Aus dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung folgt, dass die Admassierung von Vermögenserträgen nicht unbegrenzt zulässig ist. Eine steuerlich unschädliche Rücklagenbildung gewährleistet § 62 AO. Daneben sind u.U. auch Rücklagen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und im Bereich der Vermögensverwaltung zulässig. Zu beachten ist, dass der abgabenrechtliche Begriff der Rücklagenbildung nicht mit den Rücklagenbegriffen in den Handels- und Steuerbilanzen identisch ist. Der Rücklagenbegriff im Gemeinnützigkeitsrecht wird für das Ansammeln von Mitteln verwendet und ist grundsätzlich weit reichender.
Rz. 146
Eine steuerbegünstigte Körperschaft kann in einem bestimmten Rahmen Mittel einer freien Rücklage zuführen (sog. allgemeine Leistungsrücklage), vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO. Dies ermöglicht die Thesaurierung von Vermögenserträgen zur Sicherung oder Steigerung der Ertragskraft von gemeinnützigen Körperschaften. Sie ist weder an eine bestimmte Maßnahme gebunden noch unterliegt sie der zeitnahen Mittelverwendung. In ihrer Höhe wird sie allerdings begrenzt. Zum einen darf höchstens ein Drittel des Überschusses der Vermögensverwaltung der freien Rücklage zugeführt werden. Daneben können zudem 10 Prozent der sonst noch nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel in die Rücklage eingestellt werden.
Rz. 147
Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO ist die Bildung einer Rücklage zulässig, um die Beteiligungsquote bei der Kapitalerhöhung des Beteiligungsunternehmens zu wahren. Wichtigster Anwendungsfall sind Kapitalerhöhungen bei Beteiligungen, die in der Vermögensverwaltung einer gemeinnützigen Körperschaft gehalten werden.
Rz. 148
Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO ist eine steuerbegünstigte Körperschaft berechtigt, ihre Mittel ganz oder teilweise einer Projektrücklage zuzuführen, wenn sie ansonsten ihre steuerbegünstigten Zwecke nicht nachhaltig erfüllen könnte. Demnach können Mittel angesammelt werden, mit denen zukünftige konkrete zweckverwirklichende Projekte durchgeführt werden sollen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Stiftung die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke ohne die Rücklagenbildung nicht nachhaltig erfüllen könnte. Das geplante Projekt muss bereits konkret geplant sein und darf nicht aus den laufenden Einnahmen finanziert werden können.
Rz. 149
Daneben besteht die Möglichkeit, Betriebsmittelrücklagen für periodisch wiederkehrende Ausgaben und Verpflichtungen gegenüber Dritten wie Löhne, Gehälter und Mieten in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeit sowie Wiederbeschaffungsrücklagen in der Höhe, die dem jährlichen Wertverzehr des später zu ersetzenden Wirtschaftsgutes entspricht, zu bilden, vgl. § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO.