Dr. Katharina Hemmen, Dr. Julian Schick
aa) Formelle und materielle Satzungsmäßigkeit
Rz. 158
Im Gegensatz zu den §§ 52 bis 58 AO, welche die materiellen Voraussetzungen der Steuervergünstigung enthalten, regeln die §§ 59, 60, 61 sowie 63 AO die satzungsbezogenen Voraussetzungen, unter denen die Steuervergünstigung des jeweiligen Einzelsteuergesetzes gewährt wird. Diese lassen sich inhaltlich unterteilen in:
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formelle Satzungsmäßigkeit, d.h. die Satzung muss dem Gesetz entsprechen, insbesondere Zweckverfolgung (§ 60 AO) und Vermögensbindung (§ 61 AO) enthalten, und |
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materielle Satzungsmäßigkeit, d.h. die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss der Satzung entsprechen (§ 63 AO). |
Rz. 159
Die formelle Satzungsmäßigkeit muss die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllen. Dies ist gem. § 59 AO der Fall, wenn sich aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder sonstiger Verfassung (Satzung im Sinne der Vorschrift) der Zweck, den die Körperschaft verfolgt, und die Art der Zweckverwirklichung ergeben. Dabei ist die Verwendung der steuerlichen Mustersatzung für gemeinnützige Organisationen (Anlage 1 zu § 60 AO) gesetzlich vorgeschrieben.
Rz. 160
Die tatsächliche Geschäftsführung muss den Satzungsbestimmungen entsprechen, vgl. § 59 AO a.E. Diesen sog. Anwendungsvoraussetzungen ist gemeinsam, dass sie sich auf die Satzung der steuerbegünstigten Körperschaft beziehen. Trotz dieses formalen Einschlags sind sie jedoch nicht Verfahrensvoraussetzungen zur Anerkennung der Steuervergünstigung, sondern materielle, d.h. tatbestandliche Voraussetzungen.
bb) Satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 AO)
Rz. 161
Neben dem Grundsatz der satzungsgemäßen Mittelverwendung ist der Grundsatz der Vermögensbindung zu beachten, vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Vermögen, das sich aufgrund der Steuervergünstigungen gebildet hat, im Falle der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks nicht für andere als für begünstigte Zwecke verwendet wird. Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) liegt vor, wenn der maßgebende Verwendungszweck des Vermögens im Falle einer Auflösung in der sog. Anfallklausel so genau bestimmt ist, dass seine Steuerbegünstigung aufgrund der Satzung geprüft und bejaht werden kann, vgl. § 61 Abs. 1 AO. Dieser Anforderung ist durch die Benennung eines bestimmten steuerbegünstigten Anfallsberechtigten oder durch die Benennung eines bestimmten gemeinnützigen Zwecks Genüge getan. Zudem muss die Satzung eine ausdrückliche Regelung für den Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft enthalten.
cc) Rechtsfolgen bei Aufhebung oder Verletzung der Vermögensbindung
Rz. 162
Die Bestimmung über die Vermögensbindung gilt gem. § 61 Abs. 3 S. 1 AO von Anfang an als nicht ausreichend, wenn sie nachträglich so geändert wird, dass sie den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht mehr entspricht. Bei einer formellen Satzungsänderung ist dabei nicht auf den Beschluss abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Handels- bzw. Vereinsregister oder der Genehmigung durch die Stiftungsaufsichtsbehörde. Ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgrund der tatsächlichen Geschäftsführung hat weitreichende Folgen, da er nicht nur den Wegfall der Steuerbegünstigung nach sich zieht, sondern auch eine Nachversteuerung für die letzten zehn Jahre begründet, vgl. §§ 63 Abs. 2, 61 Abs. 3 AO.
dd) Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO)
Rz. 163
Gemäß § 63 Abs. 1 AO muss die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen der Satzung über die Voraussetzungen der Steuervergünstigungen entsprechen. Eine erhöhte Nachweispflicht besteht für diejenigen Körperschaften, die ihre steuerbegünstigten Zwecke im Ausland verfolgen.