Dr. Katharina Hemmen, Dr. Julian Schick
1. Überblick zum Gemeinnützigkeitsrecht
a) Begriff der Gemeinnützigkeit
Rz. 105
Die Gemeinnützigkeit ist im deutschen Recht ein Tatbestand des Steuerrechts. Das Gemeinnützigkeitsrecht ist in den §§ 51 bis 68 AO geregelt. Die Antwort auf zahlreiche Detailfragen findet sich im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO). Der AEAO gibt teilweise den Standpunkt der Finanzverwaltung wieder, teilweise fasst er aber auch die Rechtsprechung des BFH zusammen. Die Steuervergünstigungen selbst sind hingegen in den jeweiligen Einzelsteuergesetzen geregelt. Diese Begünstigungen sind nicht mit der Entlastung des Staates, sondern mit der Förderung der Allgemeinheit zu rechtfertigen. Welche der Allgemeinheit dienenden Zwecke als gemeinnützig anzusehen sind, ist nicht nur seit jeher umstritten, sondern unterliegt auch dem Wandel der Zeit. Zum Teil hat der Gesetzgeber die Liste der gemeinnützigen Zwecke erweitert, zum Teil ist die Rechtsprechung aktiv geworden.
Rz. 106
Soweit bisher die Rede von der Gemeinnützigkeit war, war damit der weite Begriff der Gemeinnützigkeit gemeint. Dieser umfasst neben den gemeinnützigen Zwecken gem. § 52 AO auch die zur Steuerbefreiung führenden mildtätigen und kirchlichen Zwecke, vgl. §§ 53, 54 AO. Gemeinnützigkeit im engeren Sinne liegt vor, wenn die Tätigkeit der Körperschaft nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern, vgl. §§ 52 Abs. 1, 59, 63 AO. Wesentliches Element der Gemeinnützigkeit ist somit die selbstlose Förderung der Allgemeinheit.
b) Gemeinnützige Körperschaften
Rz. 107
Die Steuerbegünstigung aufgrund gemeinnütziger Zweckverfolgung gilt für alle unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften mit Geschäftsleitung oder Sitz im Inland, vgl. § 51 Abs. 1 S. 2 AO, § 1 Abs. 1 KStG. Daneben kommt die Steuerbefreiung von beschränkt steuerpflichtigen Stiftungen aus einem Staat der EU oder dem EWR in Betracht, wenn sich deren Sitz oder Geschäftsleitung in einem dieser Staaten befindet und mit diesem Staat ein Amtshilfeabkommen besteht, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG. Gemeinnützigkeit ist ein Status und nicht an eine bestimmte Organisationsform gebunden. Somit können neben rechtsfähigen Stiftungen und Vereinen auch Kapitalgesellschaften in den Genuss der Gemeinnützigkeit kommen. Nichtrechtsfähige Vermögensmassen wie treuhänderische Stiftungen oder auch nichtrechtsfähige Vereine können ebenfalls gemeinnützig sein. Hingegen können natürliche Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts die Steuervergünstigung aufgrund von Gemeinnützigkeit grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen. Bei diesen könne nicht ohne größere Schwierigkeiten sichergestellt werden, dass ohne wirtschaftliche Eigeninteressen selbstlos gehandelt wird.
Praxishinweis
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) besteht seit 2022 nun auch für Personenhandelsgesellschaften die Möglichkeit einer Option zur Körperschaftsbesteuerung, vgl. § 1a KStG. Bislang ist noch unklar, ob die optierende Gesellschaft infolgedessen auch eine gemeinnützige Körperschaft im Sinne der AO sein kann und ob die Steuerbefreiungen auf sie anwendbar sein können. Weder die Gesetzesmaterialien noch das BMF-Einführungsschreiben äußern sich hierzu. Im Schrifttum wird diese Möglichkeit jedoch weit überwiegend bejaht.