1. Begriffsbestimmung
Rz. 40
Die Haftpflichtpraxis ist traditionell vehement betroffen von der Diskussion um die Definition des Versicherungsfalles. Im Rahmen der UHV aber ist – verglichen mit anderen Haftpflichtmodellen – eine gesonderte Definition des Versicherungsfalls gewählt worden, die sich loslöst von den viel diskutierten Fragestellungen der Kausalereignis- oder Folgeereignistheorie. In Anlehnung an das Anspruchserhebungsprinzip anglo-amerikanischer Provenienz ("Claims-Made-Prinzip") prägt die Versicherungsfall-Definition der UHV eine Kombination aus subjektiven und objektiven Komponenten zur Bestimmung der Frage, ob ein Ereignis vorliegt, welches zum Versicherungsschutz führen kann. Ein Versicherungsfall liegt nach Ziff. 4 UHV bei der ersten nachprüfbaren Feststellung des Personen-, Sach- oder mitversicherten Vermögensschadens vor. Dieser Versicherungsfall muss dann während der Dauer der Versicherung eintreten.
Rz. 41
Die Feststellung als subjektive Komponente erfordert zunächst die positive Kenntnis des Feststellenden von einem objektiv vorliegenden Schaden. Ein bloßer Verdacht, es könne ein Schaden vorliegen, genügt ebenso wenig wie die positive Überzeugung des Feststellenden, wenn in Wirklichkeit kein Schaden vorliegt. Es ist also erforderlich, dass der Feststellende nach außen kundtut, dass er eine Feststellung gemacht hat, was beispielsweise – insoweit in Anlehnung an das Claims-Made-Prinzip – durch Feststellung und dann Inanspruchnahme des Schädigers erfolgen kann. In zeitlicher Rangfolge ist maßgeblich die erste Feststellung, wobei insoweit darlegungs- und beweisbelastet gegenüber dem Versicherer im Streitfall der Versicherungsnehmer ist.
Rz. 42
In Erweiterung der ersten Feststellung kombiniert die UHV die subjektive Komponente mit einem objektiven Teil und führt das Erfordernis der Nachprüfbarkeit ein. Danach soll die Feststellung einem geeigneten objektiven Beweis zugänglich sein, mithin mit anerkannten prozessualen Beweismitteln erfassbar sein. Die bedingungsgemäße Regelung ist aus sich heraus nicht verständlich. Gemeint ist allerdings im Sinne der Intention des Versicherers, dass eine objektive Nachprüfbarkeit insbesondere in Form von Gutachten oder sachkundigen Feststellungen gefordert wird. Eine bestimmte schriftliche Form wird zwar nicht verlangt, wohl aber der Regelfall sein, wie beispielsweise bei behördlichen Feststellungen. Ist zum Beispiel die Umweltbehörde diejenige, die ihm Rahmen einer Evaluation feststellt, dass ein bestimmter Sachschaden durch Umwelteinwirkung verursacht wurde und nimmt sie dies in einen behördlichen Vorgang, zum Beispiel durch Aufnahme eines Gutachtens oder einen Aktenvermerk auf, ist damit eine Feststellung eines Schadens im Sinne der UHV gegeben. Eine Feststellung ist erfolgt, weil die Behörde Ihre Äußerung kundgetan hat und dies ist auch nachprüfbar im Sinne der Beweisbarkeit. Wenn auch kein bestimmtes Formerfordernis festgeschrieben ist, kann davon ausgegangen werden, dass gerade mündliche Äußerungen kaum geeignet sein können, letztlich prozessual beweisbar Sicherheit für das Vorliegen des Versicherungsfalles zu schaffen.
Rz. 43
Bedeutsam zu beachten ist ferner, dass die Feststellung auf einen bestimmten Schaden abzielt, also einen konkreten Personen-, Sach- oder mitversicherten Vermögensschaden. Nicht erforderlich und auch nicht ausreichend ist die Feststellung, dass ein bestimmter Eintrittszeitpunkt relevant ist, die Ursache dafür oder auch die Verantwortlichkeit, ohne dass ein konkreter Schaden vorliegt.
Rz. 44
Deckungsschutz besteht in zeitlicher Hinsicht nur dann, wenn dieser Versicherungsfall – zusammengesetzt aus subjektiver und objektiver Komponente – während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten ist. Es kommt bedingungsgemäß nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war. Insofern ist also das bekannte "Claims-Made-Prinzip" durchbrochen. Mit dieser Regelung wird in besonderem Maße den Umweltrisiken, die sich häufig als "schleichende Risiken" zeigen, Rechnung getragen. Selbst wenn also das ursächliche Ereignis vor Beginn des Versicherungsschutzes lag, die nachprüfbare Feststellung allerdings innerhalb des Versicherungszeitraums, wird der Versicherer deckungspflichtig sein (vgl. aber auch Ausschlussgründe Ziff. 6.3 und 6.4 UHV). Dies verschafft dem Versicherungsnehmer ein gewisses Maß an Sicherheit, kombiniert allerdings mit dem Risiko, dass ein bereits eingetretener Schaden tatsächlich erst nachprüfbar festgestellt wird, nachdem der Versicherungsschutz abgelaufen ist und damit möglicherweise im Zeitpunkt der nachprüfbaren Feststellung kein Versicherungsschutz unter der entsprechenden Police mehr besteht. Insoweit ist dann die Nachhaftungsklausel nach Ziff. 8 UHV relevant.