Rz. 19
Die Pflichten des Unfallbeteiligten ergeben sich im Umkehrschluss aus § 142 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 StGB.
Gemeinsames Tatbestandsmerkmal ist – wie ausgeführt – das Sich-Entfernen vom Unfallort. Die Alternativen unterscheiden sich letztlich dadurch, dass in Abs. 1 Nr. 1 eine feststellungsbereite Person anwesend ist und den Unfallbeteiligten die Vorstellungs- und Anwesenheitspflicht trifft. In Abs. 1 Nr. 2 ist eine solche feststellungsbereite Person nicht anwesend, der Unfallbeteiligte muss daher warten.
Gefordert wird "nur" eine passive Duldungspflicht, will heißen, der Unfallbeteiligte muss die Unfallaufklärung dulden, ohne selbst aufzuklären oder hieran aktiv mitzuwirken. Verlangt wird jedoch, dass er sich gegenüber (nachträglich eintreffenden) feststellungsbereiten Dritten als möglicher Unfallbeteiligter zu erkennen gibt; Name und Anschrift müssen genannt werden und nach Aufforderung muss er sich ausweisen. Die Feststellungsduldungspflicht entfällt erst dann, wenn dem Feststellungsinteresse des Geschädigten restlos genüge getan ist oder wenn der Geschädigte auf die Vornahme weiterer Feststellungen verzichtet.
Rz. 20
Feststellungsbereite Personen sind freilich die Unfallbeteiligten, aber auch Dritte wie Polizei, Rettungskräfte und Anwohner. Erforderlich ist jedenfalls, dass diese Dritten für die Unfallbeteiligten auch erkennbar den Willen und die Möglichkeit haben, in zuverlässiger Weise Feststellungen zugunsten des Berechtigten zu treffen und diesem zu übermitteln.
Nicht ausreichend ist hingegen, dass ein Feststellungsberechtigter am Unfallort anwesend ist, er aber nicht in der Lage ist, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen. Ob ein Anwesender am Unfallort insbesondere dazu fähig ist, Feststellungen selbst zu treffen, richtet sich danach, welche Feststellungen im Einzelfall notwendig sind und ob der Anwesende tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die jeweiligen Tatsachen selbst zu erheben.
Diese umfangreichen Voraussetzungen zeigen, dass nicht jeder vor Ort Anwesende auch zwangsläufig feststellungsbereit im Sinne der Vorschrift sein kann. Ist der Unfallbeteiligte nicht in der Lage, die erforderlichen Feststellungen hinreichend sicher selbst zu treffen, darf er sich der Hilfe der Polizei bedienen und der andere Unfallbeteiligte hat eine angemessene Zeit zu warten. Überwiegend geht die Rechtsprechung aber davon aus, dass bei eindeutigem Unfallhergang keine Pflicht besteht, auf das Eintreffen der Polizei zu warten.
Allerdings kann auch auf die Anwesenheit eines Unfallbeteiligten verzichtet werden. Ein solcher Verzicht, der unabhängig von seiner im Einzelnen umstrittenen dogmatischen Einordnung zur Straflosigkeit führt, wenn er wirksam erklärt wird, liegt indes nur vor, wenn das äußere Verhalten des Berechtigten zweifelsfrei erkennen lässt, dass der Unfallbeteiligte alsbaldige Feststellungen nicht mehr treffen will. Eine solche Erklärung kann sogar auch konkludent und insbesondere dadurch erfolgen, dass der Berechtigte dem wahrgenommenen Sich-Entfernen des Unfallbeteiligten nicht widerspricht.
Der Wortlaut des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt nicht voraus, dass der Feststellungsberechtigte noch am Unfallort anwesend ist, wenn sich der Täter von dort entfernt. Gefordert wird insoweit nur, dass sich der Täter entfernt, bevor er die gebotenen Feststellungen ermöglicht hat. Das bedeutet, dass es irrelevant ist, in welcher Reihenfolge die Unfallbeteiligten den Unfallort verlassen und ob der Täter im Zeitpunkt seines Sich-Entfernens die Pflicht noch gegenüber einer anwesenden Person hätte erfüllen können. Verlässt der Täter also zeitlich nach einer feststellungsberechtigten Person den Unfallort, so kann das Schutzgut des § 142 StGB, nämlich die Sicherung bzw. Abwehr der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche, noch immer verwirklicht werden, wenn der Täter zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat.
Rz. 21
Ist eine feststellungsbereite Person nicht vor Ort oder können erst andere noch nicht vor Ort erschienene Personen Feststellungen treffen, muss jeder Beteiligte warten.
Rz. 22
Welche Wartezeit als angemessen anzusehen ist, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und den Maßstäben der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit. Insbesondere ist auf Zeit, Ort und Schwere des Unfalls, die Verkehrsdichte und die Chancen wirksamer Aufklärung sowie die Höhe des Fremdschadens abzustellen. Der Unfallbeteiligte braucht grundsätzlich nur so lange zu warten, wie mit dem alsbaldigen Eintreffen feststellungsbereiter Personen an der Unfallstelle zu rechnen ist. Die Entscheidung, ob mit deren Erscheinen zu rechnen ist, muss vom Standpunkt eines objektiven Betrachters an der Unfallstelle aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte nach dem regelmäßigen Ablauf der Dinge getroffen werden; rein gedankliche Möglichkeiten genügen nicht. Bei einem Unfall am frühen Nachmittag ist eine Wartezeit von 15 Minuten daher durchaus ausreichend. War die W...