Rz. 33
In der Praxis ergibt sich oftmals ein weiterer Ansatzpunkt für eine Verteidigung im Rahmen der Klärung, ob ein bedeutender Fremdschaden vorliegt. Der subjektive Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter sich in Kenntnis eines Unfalls und eines nicht ganz unerheblichen Schadens entfernt. Der Vorsatz muss sich auf das Vorliegen eines "Nicht-Bagatellschadens" oder auf die "Nicht-Unerheblichkeit eines Körperschadens" erstrecken. Zum Nachweis des Vorsatzes genügt es nicht, dass der Kraftfahrer hätte erkennen können und müssen, dass ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden ist und sich hierüber nicht vergewissert hat, da ein solches Verhalten nur fahrlässig wäre. Der Schaden muss tatsächlich eingetreten sein, so dass eine Gefährdung nicht ausreicht. Festgestellt werden muss, dass gerade der Beschuldigte die Erheblichkeit erkannt hat oder für möglich hielt. Ein völlig belangloser Schaden schließt den Tatbestand aus.
1. Höhe und Berechnung des Schadens
a) Abgrenzung zum Bagatellschaden
Rz. 34
Völlig belanglos sind Schäden, bei denen üblicherweise keine Schadensersatzansprüche gestellt werden oder allgemein bei Schäden bis zu einer Höhe von maximal 25 EUR.
Rz. 35
Es ist jedoch eine Tendenz erkennbar, dass der Schwellenwert zwischenzeitlich bei 50 EUR liegt. Mit Rücksicht auf die allgemeine Preissteigerung und insbesondere die Verteuerung von Autoreparaturen ist dies sachlich richtig.
Rz. 36
Muster 22.12: Belangloser Schaden
Muster 22.12: Belangloser Schaden
Der subjektive Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter sich in Kenntnis eines Unfalls und eines nicht ganz unerheblichen Schadens entfernt (Fischer, § 142 Rn 38; OLG Hamm zfs 1997, 34; zfs 2003, 590). Ein völlig belangloser Schaden schließt den Tatbestand aus.
Mit Rücksicht auf die allgemeinen Preissteigerungen und insbesondere die Verteuerung von Autoreparaturen ist der Schwellenwert für einen belanglosen Schaden mit 50 EUR anzugeben (OLG Nürnberg DAR 2007, 530).
Bei dem Unfall wurde lediglich das Nummernschild am Fahrzeug des Geschädigten durch meinen Mandanten beschädigt. Der Schaden liegt bei 30 EUR, wie sich aus dem beigefügten Kostenvoranschlag ergibt, und damit unter dem Schwellenwert. Bei einem solch belanglosen Schaden werden üblicherweise keine Schadensersatzansprüche gestellt (OLG Düsseldorf NZV 1990, 158).
Ich beantrage daher, das Verfahren gegen meinen Mandanten gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.
b) Die Berechnung des Fremdschadens, insbesondere § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB
Rz. 37
Oftmals ist in der Praxis zu erkennen, dass Staatsanwaltschaft und Gericht den Schaden falsch berechnen. Bedeutung hat dies bei der Prüfung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB, also der Frage, ob bei Verurteilung die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Formularmäßig wird von der Polizei die Höhe des Sachschadens beim Geschädigten erfragt und um Übersendung eines Gutachtens oder Kostenvoranschlags gebeten. In der Anklage und im Urteil finden sich dann regelmäßig die Bruttobeträge wieder, obwohl nicht geklärt ist, ob der Geschädigte repariert hat oder aber er hat sogar ausgesagt, er habe nicht reparieren lassen. Das kann von Bedeutung sein, wenn es um die Frage geht, ob bei einer Verurteilung "nur" ein Fahrverbot verhängt (§ 44 StGB) oder die Fahrerlaubnis entzogen wird (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB). Je höher der Schaden, desto wahrscheinlicher der Entzug der Fahrerlaubnis. Ist der Schaden "grenzwertig", kann es für den Mandanten von ganz entscheidender Bedeutung sein, ob die Mehrwertsteuer in den Schaden miteinzubeziehen ist oder nicht. Dabei wird der bedeutende Fremdschaden im Rahmen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB gegenwärtig ab 1.300–1.500 EUR angenommen. Bei einem geringeren Sachschaden wird vielfach "nur" ein Fahrverbot verhängt.
Rz. 38
Nach der Rechtsprechung ist von einem wirtschaftlichen Schadensbegriff auszugehen. Dies folgt aus der Zielrichtung der Vorschrift, nämlich die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche. Zur Bemessung des bedeutenden Fremdschadens sind daher nur solche Schadenspositionen heranzuziehen, die zivilrechtlich erstattungsfähig sind. Die Berechnung des Schadens erfolgt also nach zivilrechtlichen Regeln und damit nach § 249 BGB. Berücksichtigung finden bei der Berechnung Reparaturkosten, Abschleppkosten, Wertminderung und Mehrwertsteuer. Das bedeutet im Hinblick auf die Mehrwertsteuer jedoch auch, dass diese nur zu berücksichtigen ist bei Reparatur oder eventuell bei Ersatzbeschaffung (sofern beim Neufahrzeug ebenfalls die Mehrwertsteuer ausgewiesen wird), § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Ergibt sich durch Herausrechnen der Mehrwertsteuer ein Schaden un...