Rz. 7
Schließen die Parteien im Rahmen eines Prozesses einen Vergleich, führt dies regelmäßig zu einer Beendigung des Prozessverfahrens, sofern die weiteren Voraussetzungen des Prozessvergleichs erfüllt sind.
I. Prozesshandlung
Rz. 8
Im Gegensatz zu dem "nur" materiell-rechtlichen Vergleich, den die Anspruchsinhaber, d.h. die Parteien, formfrei schließen können, ist der Prozessvergleich eine Prozesshandlung und unterliegt damit den prozessualen Voraussetzungen. Wenn er vor dem Land- oder dem Oberlandesgericht oder vor dem Bundesgerichtshof geschlossen werden soll, unterliegt er insbesondere dem Anwaltszwang aus § 78 ZPO.
II. Protokollierung
Rz. 9
Nach der bisherigen Rechtslage musste ein Prozessvergleich immer durch das erkennende Gericht protokolliert werden. Das Vergleichsprotokoll stellt dann einen Vollstreckungstitel gem. § 794 ZPO dar, da es keine gerichtliche Entscheidung ist, auch wenn das manche Partei subjektiv wie ein Urteil empfindet. Das ist insofern ja auch richtig, als sein Inhalt nunmehr ohne weiteres Gerichtsverfahren wie ein Urteil vollstreckt werden kann.
Ein Prozessvergleich kann seit einigen Jahren gem. § 278 Abs. 6 ZPO auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz an das Gericht annehmen oder dem Gericht einen gemeinsamen Vergleichsvorschlag unterbreiten. Das Gericht stellt dann das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO durch Beschluss fest, der dann seinerseits Vollstreckungstitel ist.
III. Widerruf
Rz. 10
Als Prozesshandlung ist der Prozessvergleich grds. unwiderruflich. Anders ist es nur, wenn die Parteien sich den Widerruf ausdrücklich vorbehalten haben. Sofern der Rechtsanwalt nicht sicher ist, ob sein Mandant mit dem von ihm für richtig gehaltenen Vergleich einverstanden ist, empfiehlt es sich wie erörtert, Vergleiche nur auf Widerruf zu schließen, um sich nicht etwaigen Regressforderungen auszusetzen. Der Widerruf muss innerhalb der gesetzten Frist den richtigen Widerrufsempfänger erreichen. Dies kann je nach Wortlaut des Vergleichs entweder das Gericht oder der Prozessgegner sein.
Rz. 11
Muster 1: Widerrufsschriftsatz
Muster: Widerrufsschriftsatz
An das
Amtsgericht Koblenz
Karmeliterstr. 14
56068 Koblenz
262 C 56/19
In dem Rechtsstreit
Sanft ./. Wüterich
widerrufe ich namens und im Auftrag des Klägers den im Verhandlungstermin am 12.8.2019 geschlossenen Vergleich vollumfänglich.
Hofer
Rechtsanwalt
IV. Büromäßige Behandlung
Rz. 12
Eine etwaige Widerrufsfrist ist unverzüglich im Fristenkalender mit Vorfrist zu notieren. Sobald der Vergleich in vollstreckbarer Form vorliegt, sollte er dem Gegner von Anwalt zu Anwalt zugestellt werden, damit die Vollstreckung eingeleitet werden kann, sofern der Gegner nicht die im Vergleich vereinbarte Leistung freiwillig erbringt.