Dr. Daniel Faulenbach, Peter Friedhofen
I. Verspätete Klageerhebung
Rz. 10
Die nachträgliche Zulassung setzt voraus, dass die Klage nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist erhoben worden ist. Ist der Zeitpunkt des Kündigungszugangs streitig, so ist nach hier vertretener Auffassung darüber zunächst Beweis zu erheben. Erst wenn das Arbeitsgericht nach einer entsprechenden Beweisaufnahme zum Ergebnis gekommen ist, dass die Kündigungsschutzklage außerhalb der Drei-Wochen-Frist bei Gericht eingereicht worden ist, kann es sich mit dem Antrag nach § 5 KSchG befassen. Es reicht also nicht aus, dass nur Zweifel darüber bestehen, ob die Klagefrist versäumt worden ist. Hält das Arbeitsgericht die Klageerhebung für rechtzeitig, hat es in der Hauptsache zu entscheiden. Hält es die Klage für verspätet, hat es über den Antrag nach § 5 KSchG auf nachträgliche Zulassung zu entscheiden. Hält das Arbeitsgericht die Klageerhebung für rechtzeitig, ist über den Antrag auf nachträgliche Zulassung nicht zu entscheiden. Der Antrag nach § 5 KSchG ist dann als Hilfsantrag für den Fall aufzufassen, dass nach Auffassung des Arbeitsgerichtes die Klage verspätet erhoben worden ist.
II. Zuzumutende Sorgfalt
Rz. 11
Den Arbeitnehmer darf an der Versäumung der Drei-Wochen-Frist kein Verschulden treffen. Regelmäßig darf ihm noch nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar sein. Aus der Formulierung in § 5 Abs. 1 KSchG, wonach ein Arbeitnehmer "trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war …", schließt die herrschende Meinung, dass auf die dem Arbeitnehmer konkret zuzumutende Sorgfaltspflicht abzustellen ist. Es kommt also darauf an, zu welchem Personenkreis der Arbeitnehmer gehört und wie sich seine persönlichen Verhältnisse darstellen. Damit gilt ein subjektiver Maßstab. Entscheidend ist, welches Maß an Sorgfalt dem konkreten Arbeitnehmer in seiner konkreten Situation abgefordert werden kann. Schon vor Einführung der neuen einheitlichen Klagefrist ist die Auffassung vertreten worden, dass mit den §§ 4, 7 KSchG die Schaffung klarer Rechtsverhältnisse in den Vordergrund gestellt worden sei. Danach soll der Arbeitgeber im Grunde nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist davon ausgehen können, dass die Kündigung jedenfalls wirksam geworden sei. Deswegen müsse im Interesse der Rechtssicherheit die Klagefrist eingehalten werden. Deswegen sei auch in aller Regel zu fordern, dass den Arbeitnehmer an der Versäumung der Drei-Wochen-Frist kein Verschulden treffe, auch nicht in Form leichter Fahrlässigkeit. Einem Arbeitnehmer könne bei der Verfolgung einer für ihn so wichtigen Angelegenheit, ob sein Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beendet worden sei oder nicht, eine gesteigerte Sorgfalt abverlangt werden.
Rz. 12
Hier ist nunmehr äußerste Vorsicht geboten. Der Gesetzgeber hat durch die Einführung der einheitlichen Klagefrist zum 1.1.2004 dem Interesse des Arbeitgebers an einer schnellen Klärung der Rechtslage ein erheblich größeres Gewicht beigemessen als dies nach dem alten Rechtszustand angenommen werden konnte. Während nach altem Recht alle möglichen Unwirksamkeitsgründe auch noch durch eine Klagerhebung nach drei Wochen nach Zugang der Kündigung geltend gemacht werden konnten, muss nunmehr ein Arbeitnehmer gegen eine schriftliche Kündigung des Arbeitgebers binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben und sich dabei zumindest auf einen Unwirksamkeitsgrund berufen, um die Fiktionswirkung des § 7 KSchG nicht eintreten zu lassen. Damit gewinnt das Argument der Rechtssicherheit für den Arbeitgeber erheblich an Bedeutung. Dies wird nicht ohne Auswirkungen bleiben können für die Prüfung, wie viel Sorgfalt dem Arbeitnehmer im konkreten Fall in seiner konkreten Situation abzuverlangen ist.
III. Einzelfälle zur Versäumung der Klagefrist
1. Abwarten
Rz. 13
Der Arbeitnehmer kann mit der Klageerhebung bis zum letzten Augenblick warten. Dann trägt er aber auch das Risiko, dass eine rechtzeitige Klageerhebung nicht mehr gelingt. Die nachträgliche Zulassung der Klage ist nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer die Entscheidung der Rechtsschutzversicherung oder die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abwartet und dadurch die Klagefrist versäumt. Auf amtliche Brieflaufzeiten darf sich der Arbeitnehmer verlassen. Es muss aber im Hinblick auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Dreiwochenfrist ausreichend Zeit für einen normalen Postlauf vorhanden sein. Dieser soll bei der Deutschen Post AG einen Werktag betragen. Wer allerdings bis zum letzten Tag der Drei-Wochen-Frist mit der Postaufgab...