Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 68
Der Einzelabschluss dient der Erfüllung mehrerer Zwecke, die innerhalb des Zwecksystems zusammengeführt werden. Wie die in § 238 Abs. 1 HGB kodifizierte Buchführungspflicht verdeutlicht, geht es dem Gesetzgeber zunächst um die Dokumentation i.S.e. vollständigen, richtigen und systematischen Aufschreibens und Festhaltens der Güterbewegungen und Zahlungsvorgänge. Die Dokumentation eröffnet die Möglichkeit der Nachprüfbarkeit der Aufzeichnungen. Sie dient der Beweisfunktion und der Prävention im Hinblick auf rechtswidrige Handlungen durch Angehörige des Unternehmens. Eine weitere Funktion des Jahresabschlusses besteht in der Rechenschaftslegung ggü. Gläubigern (Kapitalgebern) und Gesellschaftern.
Eine Rechenschaftspflicht ggü. Gesellschaftern ist namentlich im Bereich des Kapitalgesellschaftsrechts erforderlich, weil dort nach dem Grundsatz der sog. Fremdorganschaft Dritte mit der Geschäftsführung betraut werden können. Rechenschaftspflichten finden sich im gesamten Zivilrecht, wenn entweder fremde Angelegenheiten besorgt werden oder der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den Umfang seines Anspruchs im Ungewissen ist, während der Verpflichtete die anspruchsrelevanten Tatsachen kennt (§§ 259, 666, 675, 681 Abs. 2 BGB i.V.m. § 242 BGB).
Rz. 69
Beim Einzelunternehmen wird der Kaufmann – vorbehaltlich einer Befreiung von der Buchführungs- und Bilanzierungspflicht gem. §§ 242 Abs. 4, 241a HGB – mit dem Jahresabschluss zu einer Rechenschaft ggü. sich selbst genötigt, weil er sich damit einen Überblick über seine eigenen finanziellen Verhältnisse verschafft. Deshalb muss der Jahresabschluss klar und übersichtlich sein (vgl. § 243 Abs. 2 HGB). Das Anlage- und Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden und die Rechnungsabgrenzungsposten müssen gesondert ausgewiesen und hinreichend aufgegliedert sein.
Weiterhin dient das Bilanzrecht der Ermittlung des Gewinns, der – von allen gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten abgesehen (vgl. o. Rdn 18 ff., 28 ff., 39 ff.) – zur Ausschüttung an die Gesellschafter verwendet werden kann. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der sog. Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses. Schließlich dient der Jahresabschluss nach traditionellem deutschen Verständnis der Kapitalerhaltung. Dies wird darin deutlich, dass sowohl das sog. Vorsichts- als auch das Imparitätsprinzip gelten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten die Wertobergrenze für Vermögensgegenstände bilden (§ 253 Abs. 1 HGB) und für das Anlage- und Umlaufvermögen Niederstwertvorschriften zu beachten sind, die bei zwei in Betracht kommenden Werten zur Bewertung mit dem niedrigeren Wert führen (§ 253 Abs. 3, Abs. 4 HGB).
Bei Kapitalgesellschaften wird die Kapitalerhaltung dadurch sichergestellt, dass der Jahresabschluss die Bemessungsgrundlage für die offenen Ausschüttungen bzw. für eine Ausschüttungssperre bildet (vgl. § 58 Abs. 4 AktG, § 30 Abs. 1 GmbHG). Bei der AG kommt dem Ergebnis des Jahresabschlusses (Bilanzgewinn) eine strenge Ausschüttungsbemessungsfunktion zu.
Hinweis
Was die Bilanz allerdings nur eingeschränkt zu vermitteln vermag, ist ein dynamischer Einblick in die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zum Zweck der Information über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Für Kapitalanleger ist nicht der Status, sondern sind die künftigen Gewinnerwartungen des Unternehmens entscheidend. Zukünftige Zielerreichungen (z.B. Forschungen, Entwicklungen) sind aus der Vermögenslage nicht erkennbar, die Ertragslage kann durch gewinnbringende Zukunftsinvestitionen verzerrt sein und die Finanzlage lässt sich verlässlich nur durch einen Finanzplan beurteilen.