Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
a) Überblick zu §§ 20 UmwStG 2006
Rz. 495
Die Fortführung einer bisher in einem Personenunternehmen betriebenen Einheit in einer Kapitalgesellschaft lässt sich zivilrechtlich auf verschiedenen Wegen erreichen. Dies sind einerseits die außerhalb des UmwG liegenden Einbringungen eines Betriebs oder Teilbetriebs in eine Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung oder Sachgründung sowie bspw. die Einbringung sämtlicher Anteile an einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung oder Sachgründung. Die Personengesellschaft erlischt in Folge der Einbringung und ihr Vermögen geht durch Anwachsung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge außerhalb des UmwG auf die Kapitalgesellschaft über. Nach den Regelung des UmwG kann die Fortführung einer bisher in einem Personenunternehmen betriebenen Einheit in einer Kapitalgesellschaft je nach Ausgangssituation z.B. über eine Ausgliederung, einer Verschmelzung oder einen Formwechsel erreicht werden. Die steuerlichen Rechtsfolgen richten sich dann nach § 20 UmwStG.
Rz. 496
§ 20 UmwStG beinhaltet folgende Voraussetzungen:
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Qualifiziertes Betriebsvermögen als Einbringungsgegenstand: Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil unter Miteinbringung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen. Dies schließt bei Personengesellschaften wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen mit ein. Die Einbringung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit "Mehrheitsvermittlung" fällt unter § 21 UmwStG. |
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Einbringung in die Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. |
Rz. 497
Bewertungswahlrecht für aufnehmende Kapitalgesellschaft und Bindungswirkung für den Einbringenden:
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Ist der Anwendungsbereich eröffnet, kann die aufnehmende Kapitalgesellschaft die übernommenen Wirtschaftsgüter nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG statt mit dem gemeinen Wert zum Buchwert oder zu einem Zwischenwert ansetzten. Wesentliche Voraussetzungen dafür sind der Fortbestand deutschen Besteuerungsrechts, ein positiver steuerlicher Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens und die Begrenzung etwaiger sonstiger Gegenleistungen auf den in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 UmwStG definierten Rahmen (vgl. Rdn 405). Notwendig ist zudem ein Antrag auf Buchwertansatz, der spätestens bis zur erstmaligen Abgabe der Schlussbilanz für das Einbringungsjahr beim Finanzamt der Kapitalgesellschaft zu stellen ist (§ 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG). Dieser kann konkludent gestellt werden. Aus Dokumentationsgründen ist aber ein schriftlicher Antrag sinnvoll. |
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Der Ansatz der Wirtschaftsgüter bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft bestimmt für den Einbringenden den Veräußerungspreis und die Anschaffungskosten der neu erhaltenden Geschäftsanteile (§ 20 Abs. 3 UmwStG). Dies ist die zentrale Vorschrift, über die bei Buchwertansatz der übernehmenden Kapitalgesellschaft Steuerneutralität für den Einbringenden erreicht wird. |
b) Anwendungsfragen
aa) Behandlung von Sonderbetriebsvermögen
Rz. 498
§ 20 UmwStG ist in Zusammenhang mit eingebrachten Anteilen an Personengesellschaften oder Betrieben von Personengesellschaft nur anwendbar, wenn wesentlich Betriebsgrundlagen nicht im Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten, sondern auch in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden (s. Tz. 20.06 ff. des UmwStE 2011). Sonderbetriebsvermögen, das als nicht wesentliche Betriebsgrundlage eizuordnen ist, braucht nicht in die Kapitalgesellschaft eingebracht werden. Bei Zurückbehaltung einzelner Wirtschaftsgüter kommt es allerdings zu einer Realisierung der stillen Reserven durch Entnahme in das Privatvermögen.
Rz. 499
Die Finanzverwaltung folgt seit dem BMF-Schreiben vom 16.8.2000 ausschließlich der funktionalen Betrachtungsweise für die Unterscheidung wesentlicher und nicht wesentlicher Betriebsgrundlagen. Entscheidend ist, ob ein einzelnes Wirtschaftsgut für die Fortführung des betroffenen Betriebes im Einzelfall funktionell bedeutsam ist. Dies sind abstrakt formuliert im (wirtschaftlichen) Eigentum des Betriebs stehende Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb das Gepräge geben und nicht gleichzeitig am Markt ersetzbar sind.
bb) Rückwirkung
Rz. 500
Die Einbringung kann steuerlich nach § 20 Abs. 6 UmwStG um bis zu 8 Monate zurückbezogen werden. Für Umwandlungen nach dem UmwG (Ausgliederung, Verschmelzung, Abspaltung) wird der Übertragungsstichtag durch die umwandlungsrechtliche Schlussbilanz definiert, die nach § 17 Abs. 2 UmwG zum Handelsregister einzureichen ist. Für den Formwechsel gilt nach § 25 UmwStG § 9 Satz 3 UmwStG mit der dortigen 8-montaigen Rückwirkungsmöglichkeit entsprechend.