Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
(a) Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative
Rz. 327
Der Begriff des Mitunternehmers ist im Gesetz nicht definiert und muss daher ausgelegt werden. Als Typusbegriff umfasst der Mitunternehmerbegriff eine Vielzahl von Anzeichen und Merkmalen, die in ihrer Gesamtheit dazu führen müssen, dass der Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfalten kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Beide Merkmale müssen vorliegen, wobei sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, ohne dass die Mitunternehmerstellung entfällt. Sofern eines der beiden Merkmale gänzlich fehlt, liegt kein Mitunternehmeranteil vor.
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Nach Auffassung des BFH ist eine ausreichende Mitunternehmerinitiative gegeben, wenn dem einzelnen Gesellschafter wenigstens solche Rechte zustehen, die den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten eines Gesellschafters einer GbR nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen. Dies gilt auch für quotal niedrige Beteiligungen (z.B. unter 1 %), die effektiv keinen Einfluss auf Entscheidungen der Mehrheitsgesellschafter haben. |
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Bzgl. des Mitunternehmerrisikos wird seitens des BFH in ständiger Rspr. die gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg der Gesellschaft gefordert, d.h. die Beteiligung an laufenden Gewinnen und Verlusten sowie auch an den stillen Reserven und dem Firmenwert, d.h. am potenziellen Liquidationserlös. |
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Das Mitunternehmerrisiko eines persönlich haftenden Gesellschafters (z.B. Komplementär-GmbH) ergibt sich allein schon aus seinem Status. Unschädlich hierbei ist eine Haftungsfreistellung der Komplementär-GmbH durch die Kommanditisten. Daher ist ein Mitunternehmerrisiko auch bei fehlender Beteiligung am Gewinn oder Verlust der KG bzw. ihrem Vermögen gegeben. |
(b) Einzelfragen zur Mitunternehmerstellung von Kommanditisten
Rz. 328
Kommanditisten, die nach dem Gesellschaftsvertrag mit dem Regelstatut des HGB vergleichbaren Rechten und Pflichten ausgestattet sind, werden nach der ständigen Rspr. des BFH regelmäßig als Mitunternehmer bewertet. Unschädlich ist insoweit, dass der Kommanditist nach § 164 HGB nicht zur Geschäftsführung befugt ist bzw. ihm nach § 166 HGB keine Unternehmensinitiative gewährt wird. Unschädlich ist auch, wenn es sich um quotal niedrige Beteiligungen (z.B. unter 1 %) handelt, die effektiv keinen Einfluss auf Entscheidungen der Mehrheitsgesellschafter haben.
Rz. 329
Eine Mitunternehmerstellung liegt nicht vor, sofern der Kommanditist nach dem Gesellschaftsvertrag so stark in seinen Rechten / Möglichkeiten begrenzt ist, dass er keine ausreichende Mitunternehmerinitiative entfalten kann bzw. kein ausreichendes Mitunternehmerrisiko trägt. Dies kann der Fall sein, wenn er nicht am Gewinn beteiligt ist, sondern allenfalls eine Festvergütung erhält und lediglich einer Verlustbeteiligung in Höhe seine Einlage unterliegt. Schädlich ist insofern auch das im Gesellschaftsvertrag festgelegte Ausscheiden vor der erwarteten Gewinnphase, sofern bis zum Ausscheiden mit keiner Bildung von stillen Reserven in nennenswertem Umfang gerechnet wird. Weiterhin schädlich für das Vorliegen einer Mitunternehmerstellung ist auch der vollständige Ausschluss von Stimm- und Widerspruchsrechten im Gesellschaftsvertrag.
Beispiele für die fehlende Mitunternehmerstellung des Kommanditisten
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Ausschluss des Widerspruchrechts nach § 164 HGB, |
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Ausschluss von der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung oder |
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Vereinbarung des Mehrheitsprinzips auch bei Grundlagengeschäften ohne Vetorecht. |
Rz. 330
Das Vorliegen einer Gesellschafterstellung ohne Mitunternehmerrisiko begründet keine Mitunternehmerstellung. Insofern ist bspw. der Treuhandkommanditist einer fremdnützigen Treuhand kein Mitunternehmer (vgl. dazu u. Rdn 332). Auch der sog. Nullbeteiligungsgesellschafter (zivilrechtlicher Gesellschafter mit Außenhaftung, aber ohne Gewinn-/Verlust- und Vermögensbeteiligung und ohne überschießende Initiativrechte) begründet keine Mitunternehmerstellung. Ebenfalls kein Mitunternehmer ist ein Scheinsozius einer Freiberufler-Sozietät.
Rz. 331
Die fehlende Mitunternehmerstellung einzelner Gesellschafter bewirkt keine Aufteilung des Gesamthandsvermögens der Gesellschaft. Dieses bleibt ungeachtet der Beteiligungsverhältnisse der Mitunternehmer und der anderen Gesellschafter insgesamt Betriebsvermögen. Die Gewinnanteile der anderen Gesellschafter sind jedo...