Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 243
Ein weiteres Problem besteht darin, dass das Betriebsvermögen im handelsbilanzrechtlichen und im ertragsteuerrechtlichen Sinn nicht zwingend übereinstimmen muss. Eine vollständige Deckungsgleichheit besteht lediglich bei Kapitalgesellschaften, weil diese ausnahmslos gewerbliche Einkünfte erzielen (vgl. § 8 Abs. 2 KStG), mit der Konsequenz, dass die dazu eingesetzten Wirtschaftsgüter zum notwendigen Betriebsvermögen gehören müssen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man dogmatisch eine außerbetriebliche Sphäre der Kapitalgesellschaft annähme. Doch lehnt dies die Rspr. des BFH ab. Privat veranlasste Aufwendungen sind außerbilanziell durch sog. verdeckte Gewinnausschüttungen zu korrigieren.
Rz. 244
Komplizierter ist die Rechtslage bei Personengesellschaften. Handelsrechtlich verhält es sich so, dass das gesamte Gesamthandseigentum Betriebsvermögen ist. Ertragsteuerrechtlich vertritt der BFH die Ansicht, dass auch auf Gesamthandsebene eine Unterscheidung zwischen außerbetrieblicher und betrieblicher Sphäre zu erfolgen habe. Soweit es bei den von der Gesellschaft erworbenen Wirtschaftsgütern an einer betrieblichen Veranlassung fehle, seien sie steuerrechtlich als Privatvermögen zu qualifizieren (z.B. betreffend eine Lebensversicherungsforderung zur Abfindung der Hinterbliebenen eines verstorbenen Gesellschafters). Des Weiteren kann durch eine dauerhafte private Widmung eines Wirtschaftsgutes des Gesamthandsvermögens eine Entnahme des Gegenstandes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen stattfinden (z.B. bei Bebauung eines Grundstücks der Gesellschaft für Wohnzwecke eines Gesellschafters). Nach der Rspr. des BFH fehlt es schließlich an der Betriebsvermögenseigenschaft, wenn der Erwerb von (aktiven und passiven) Wirtschaftsgütern nicht der gemeinsamen Einkünfteerzielung, sondern der Verlustverlagerung in den gesamthänderischen Bereich dient. Denn die steuerrechtlich irrelevante sog. Liebhaberei wird nicht nur auf Einheiten wie einen Betrieb oder zumindest einen Teilbetrieb bezogen, sondern auch auf unselbstständige Teilbereiche (sog. Segmentierung). Bei all den genannten Fällen wird der Maßgeblichkeitsgrundsatz für den Umfang des Betriebsvermögens bei Personengesellschaften durchbrochen.
Umgekehrt muss beachtet werden, dass ertragsteuerrechtlich zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft nicht nur diejenigen Wirtschaftsgüter gehören, die sich im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft befinden, sondern auch solche, die im zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum eines oder mehrerer Gesellschafter stehen und dem Bereich der betrieblichen Betätigung des Gesellschafters i.R.d. Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind (sog. Sonderbetriebsvermögen). Die Untergliederung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft in Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen ist keine neue Erkenntnis der Rspr., sondern stimmt mit den Ergebnissen der Rspr. zur früheren Bilanzbündeltheorie überein. Nach deren Aufgabe wird die Existenz von Sonderbetriebsvermögen von der Rspr. des BFH über § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG gerechtfertigt, wobei der BFH von der Prämisse ausgeht, dass die zur Erzielung von Sondervergütungen eingesetzten Wirtschaftsgüter ebenso betrieblicher/gewerblicher Natur sein müssten.
Rz. 245
Aus der Existenz des Sonderbetriebsvermögens folgt, dass die entsprechend qualifizierten Wirtschaftsgüter in einer Sonderbilanz der einzelnen Mitunternehmer zu erfassen sind. Bei der Sonderbilanz handelt es sich um ein technisches Mittel, um die Wertentscheidung des Gesetzgebers in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG mit der umfassenden Qualifizierung von Einkünften als mitunternehmerische nachzuvollziehen. Die Handelsbilanz der Gesellschaft selbst kann nur den Bereich des Gesamthandsvermögens umfassen. Einnahmen des Gesellschafters aufgrund allgemein-schuldrechtlicher Beziehungen zur Personengesellschaft können dort nicht berücksichtigt werden.
Hinweis
Gäbe es keine Sonderbilanzen, würde dies bedeuten, dass für jede Rechnungsperiode nicht nur der handelsrechtliche Abschluss zu erstellen wäre, sondern zusätzlich eine von der Handelsbilanz abweichende Steuerbilanz entwickelt werden müsste.
Beispiel
A ist Gesellschafter der AB-OHG. Er erwirbt im Wege der Fremdfinanzierung ein unbebautes Betriebsgrundstück i.H.v. 500.000,00 EUR, welches er ohne gesondertes Entgelt der AB-OHG für betriebliche Zwecke überlässt. Für den von ihm aufgenommenen Kredit zahlt er 10 % Zinsen p.a. aus privaten Mitteln. A hat das Grundstück und das Darlehen in einer Sonderbilanz zu aktivieren. Die von ihm gezahlten Zinsen sind in einer Sonder-GuV auszuweisen:
Sonderbilanz Gesellschafter A |
Aktiva |
Passiva |
Grund + Boden |
500.000,00 EUR |
Verbindlichkeiten |
500.000,00 EUR |
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500.000,00 EUR |
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500.000,00 EUR |
Sonder-GuV Gesellschafter A |
Aufwendungen |
Erträge |
Zinsen |
50.000,00 EUR |
Verlust |
50.000,00 EUR |
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50.000,00 EUR |
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50.000,00 EUR |