Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
a) Bewertungsgrundsätze
Rz. 187
Der Jahresabschluss ist in EUR aufzustellen (§ 244 HGB). Bei der Bewertung geht es darum, dass jeder Bilanzposition sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite eine bestimmte EUR-Größe zugeordnet werden muss, um das Ergebnis des Geschäftsjahres ermitteln zu können. Dabei ist zwischen der erstmaligen Bewertung einer Bilanzposition (Zugangsbewertung) und der Fortführung dieses Bewertungsansatzes (Folgebewertung) zu unterscheiden. Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze sind in § 252 HGB normiert. Es gelten
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die Grundsätze des Bilanzzusammenhangs, |
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die Grundsätze der Unternehmensfortführung, |
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das Vorsichtsprinzip, |
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das Realisationsprinzip, |
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das Imparitätsprinzip, |
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der Grundsatz der Einzelbewertung, |
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der Grundsatz der Periodisierung und |
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der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit. |
Rz. 188
Aus dem Grundsatz der Unternehmensfortführung ("going concern") folgt, dass in der Handelsbilanz keine Liquidationswerte (Zerschlagungswerte) angesetzt werden dürfen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Für die Zugangsbewertung sieht das HGB die Bewertung der Vermögensgegenstände auf der Grundlage der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor. Verbindlichkeiten sind zu ihrem Rückzahlungsbetrag zu bewerten. Auch wenn eine Zinsverpflichtung niedriger als der marktübliche Zins ist, kommt eine Abzinsung der Verbindlichkeit oder die Aktivierung eines RAP nicht infrage, weil sonst künftige Erträge vorweg ausgewiesen würden. Die Sondervorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für zinslose Verbindlichkeiten gilt handelsrechtlich nicht. Rückstellungen sind i.H.d. nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. HGB). Zukünftige Preis- und Kostensteigerungen sind demnach bei der Bewertung – anders als in der Steuerbilanz (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f) EStG) – zwingend zu berücksichtigen. Ebenso wenig kommt das in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG geregelte Abzinsungsgebot zu einem Zinssatz von 5,5 % für Rückstellungen handelsrechtlich zur Anwendung. Vielmehr müssen alle Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr – und damit auch solche für Sachleistungsverpflichtungen – mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz abgezinst, d.h. mit dem Barwert des künftigen Erfüllungsbetrages angesetzt werden (§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Diskontierung hat auf der Grundlage des durchschnittlichen Marktzinssatzes, der über die letzten sieben Geschäftsjahre zu bilden ist, zu erfolgen. Die anzuwendenden Zinssätze werden von der Deutschen Bundesbank ermittelt und monatlich bekannt gegeben, Einzelheiten sind in einer gesonderten Rechtsverordnung, der sog. Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV), geregelt. Der Zinseffekt führt in den Folgeperioden zu einer Erhöhung des Wertansatzes. Für den Bilanzierenden bedeutet dies, dass der Wertansatz zu jedem Abschlussstichtag überprüft und ggf. angepasst werden muss. Insgesamt führt dies in der Praxis zu einer Steigerung der Anforderungen für Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Schließlich muss das Zinsergebnis in der GuV-Rechnung unter einem gesonderten Posten ausgewiesen werden (§ 277 Abs. 5 Satz 1 HGB).
Rz. 189
Eine weitere Neuerung betrifft die Einschränkung bei den sog. Instandhaltungs- und sonstigen Aufwandsrückstellungen, die bisher in der Praxis ein beliebtes Instrument waren, um Gewinnschwankungen zu vermeiden. Eine Bilanzierungspflicht besteht weiterhin für unterlassene Instandhaltungen des aktuellen Geschäftsjahres, die im ersten Quartal des Folgegeschäftsjahres nachgeholt werden (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB). I.Ü. verbietet die Neufassung des § 249 HGB jegliche anderweitige Passivierung von Aufwandsrückstellungen. Altfälle unzulässiger Aufwandsrückstellungen regelt Art. 67 Abs. 3 EGHGB (vgl. dazu entsprechend Rdn 165, 189).
Rz. 190
Ausgehend von der allgemeinen Neuregelung für die Rückstellungsbewertung sind Pensionsverpflichtungen und vergleichbare langfristige Verpflichtungen bestmöglich realitätsnah auszuweisen. Dafür sind insb. zukünftig erwartete Rentenanpassungen und Gehaltssteigerungen in die Bewertung einzubeziehen und biometrische Wahrscheinlichkeiten (Lebenserwartung, Sterblichkeits- und Invaliditätsraten, Mitarbeiterfluktuation) bestmöglich an der individuellen Unternehmensperspektive auszurichten. Bei der Abzinsung eröffnet das Gesetz anstelle der Ermittlungen individueller Abzinsungssätze für jede einzelne Verpflichtung die Möglichkeit, eine pauschale Restlaufzeit aller Verpflichtungen von 15 Jahren anzunehmen (§ 253 Abs. 2 Satz 2 HGB). Abweichend von den genannten Bewertungsgrundsätzen können wertpapiergebundene Pensionsrückstellungen i.H.d. beizulegenden Zeitwertes der Wertpapiere angesetzt werden, wenn diese einen garantierten Mindestbetrag übersteigen (§ 253 Abs. 1 Satz 3 HGB).
Die Neuregelungen für die Rückstellungsbewertung bei Pensionsrückstellungen haben erhebli...