Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
I. Unternehmensbesteuerung in Deutschland
Rz. 247
Die deutsche Unternehmensbesteuerung zeichnet sich durch ein duales System aus. Während Einzelunternehmer sowie an Personengesellschaften beteiligte natürliche Personen grds. Einkommensteuer auf ihre Unternehmensgewinne zahlen, unterliegen die Erträge einer Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer. Für alle gewerblichen Betätigungen fällt unabhängig von der Rechtsform Gewerbesteuer an, wobei sich die effektiven Belastungswirkungen im Ergebnis unterscheiden. Mithin ist die Besteuerung ein wesentliches Element für die Rechtsformwahl (zu Einzelheiten vgl. Rdn 252 ff.).
Größter Einschnitt in der deutschen Unternehmensbesteuerung in den letzten ca. 30 Jahren war die Abschaffung des Anrechnungsverfahrens mit der Steuerreform 2001/2002 und der deutlichen Reduzierung der ertragsteuerlichen Belastung auf Unternehmensgewinne. Der Körperschaftsteuertarif bei Kapitalgesellschaften wurde auf 25 % und die Gesamtsteuerbelastung inkl. Gewerbesteuer auf ca. 40 % vor Weiterausschüttung reduziert. Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit natürlichen Personen als Gesellschafter wurde zur weitgehenden Vermeidung einer Doppelbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer eingeführt. 2008 wurde der Körperschaftsteuersatz zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von 25 % auf 15 % reduziert. Zur Gegenfinanzierung wurden wesentliche Änderungen bei der Gewerbsteuer vorgenommen (Änderung des Hinzurechnungskatalogs; Anpassung des Tarifs infolge des Wegfalls der ertragsteuerlichen Abzugsfähigkeit). Für einkommensteuerpflichtige Einzelunternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften besteht seit 2008 die Möglichkeit, nicht entnommene Gewinnanteile einem günstigeren einkommensteuerlichen Sondersteuersatz zu unterwerfen. Seit 2022 eröffnet zudem das Optionsmodell zur Körperschaftsteuer Personengesellschaften die Möglichkeit, eine Besteuerung zum Körperschaftsteuertarif zu wählen.
II. Rechtsformwahl
1. Rechtsformunterschiede im Gesellschaftsrecht, Handelsrecht und Arbeitsrecht
Rz. 248
Einzelunternehmern, Personen- und Kapitalgesellschaften zeichnen sich durch Rechtsformunterschiede aus. Neben der steuerlichen Betrachtung sind die "klassischen" Abgrenzungskriterien zur Kapitalbeschaffung und Haftungsbeschränkung von wesentlicher Bedeutung. Für Familienunternehmen sind Rechtsformunterschiede bei der Publizität von Jahresabschlüssen häufig entscheidungserheblich. Auch im Arbeitsrecht ist die unternehmerische Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsgremien rechtsformabhängig.
Rz. 249
Die Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften unterliegen grds. umfangreichen Prüfungs- und Offenlegungspflichten. Personengesellschaften mit einer natürlichen Person als Vollhafter sind dagegen nur nach Maßgabe des PublG prüfungs- und offenlegungspflichtig (s. Rdn 227).
Rz. 250
Kapitalgesellschaften mit mehr als 2.000 bzw. mehr als 500 Mitarbeitern unterliegen der unternehmerischen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer nach MitbestG und DrittelbG (Pflicht zur Errichtung eines zur Hälfte bzw. zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrates). Personengesellschaften unterliegen hingegen grds. keiner unternehmerischen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer nach MitbestG und DrittelbG (Ausnahme: Zurechnung zu einer deutschen Komplementär-GmbH bei einer GmbH & Co. KG) (s. § 25 Rdn 136 ff.).
Rz. 251
Insbesondere im Bereich der eigentümergeführten Unternehmen bzw. Familienunternehmen wird den vorgenannten Aspekten "Publizität" und "unternehmerische Mitbestimmung" hohe Bedeutung beigemessen. Diese vorgenannten Kriterien können insofern für eine unternehmerische Betätigung über die Rechtsform einer Personengesellschaft sprechen.
2. Rechtsformunterschiede im Steuerrecht
a) Ertragsteuern
aa) Einkommensteuer und Gewerbesteuer bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften
Rz. 252
Die Grundform der gewerblichen Betätigung/Einkünfteerzielung ist das Einzelunternehmen, welches durch eine natürliche Person auf eigenen Namen sowie Rechnung geführt wird. Die gewerblichen Einkünfte aus einem Einzelunternehmen werden bei der Einkommensteuer zusammen mit den weiteren Einkünften nach den persönlichen Verhältnissen des Einzelunternehmers besteuert. Der Steuersatz (hier als sog. "Grenzsteuersatz" zu verstehen) beträgt bei Einzelveranlagung des Unternehmers ab einem zu versteuernden Einkommen von 62.809,00 EUR (2023) für hinzukommendes steuerpflichtiges Einkommen 42 % zzgl. Solidaritätszuschlag (5,5 % der Einkommensteuer) und zzgl. Kirchensteuer, soweit diese anfällt (ca. 8–9 % je nach Konfession und Landeskirche). Ab einem zu versteuernden Einkommen von 277.826,00 EUR (2023) beträgt der Einkommensteuertarif für hinzukommendes steuerpflichtiges Einkommen 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag (5,5 % der Einkommensteuer) und zzgl. Kirchensteuer, soweit diese anfällt.
Rz. 253
Zusätzlich fällt Gewerbesteuer an. Die Gewerbesteuer beträgt 3,5 % des Gewinns für gewerbesteu...