Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 385
Zu klären ist für die Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zunächst, ob die Übertragung der Wirtschaftsgüter als "normale" Veräußerung zum Verkehrswert, als Einbringung/Entnahme gegen Gewährung/Minderung von Gesellschaftsrechten, als unentgeltliche Übertragung oder als teilentgeltliche Übertragung ("Mischentgelt") ausgestaltet ist. Die Veräußerung schließt eine Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG aus. Eine Veräußerung im steuerlichen Sinne liegt auch bei der Übernahme von Verbindlichkeiten oder der Verbuchung des Gegenwerts des Wirtschaftsguts auf einem Darlehenskonto/Privatkonto der Personengesellschaft mit Verbindlichkeitscharakter vor. Die Einbringung/Entnahme gegen Gewährung/Minderung von Gesellschaftsrechten gilt als entgeltliche Übertragung, ist aber aufgrund der Nennung in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eine begünstigte Gegenleistung.
Rz. 386
Eine Übertragung von Gesellschaftsrechten im Sinne der Norm liegt vor, sofern sich maßgebliche Gesellschaftsrechte, also Stimm- und Gewinnbezugsrechte, nach dem eingeräumten bzw. erhöhten Kapitalanteil richten. Insofern führt eine Gutschrift auf das Kapitalkonto I des einbringenden Gesellschafters zur Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dieser Sachverhalt liegt auch vor, wenn die Personengesellschaft durch Sacheinlage entsteht oder ein bereits bestehendes Kapitalkonto I aufgestockt wird unter gleichzeitiger Aufstockung der Kapitalkonten der Mitgesellschafter.
Strittig war die Beurteilung bei Zuschreibung der Übertragung auf das Kapitalkonto II. Insofern liegt nach der BFH-Rspr. kein entgeltlicher Vorgang vor. Die Finanzverwaltung hat sich der Rspr. mit dem BMF-Schreiben v. 26.7.2016 angeschlossen, nachdem sie in der Vergangenheit den Tatbestand der Übertragung von Gesellschaftsrechten als erfüllt sah. Im Ergebnis bleibt der Tatbestand des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG aber erfüllt.
Wird die Übertragung sowohl dem Kapitalkonto I als auch II zugeschrieben, liegt eine Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten vor. Bei Zuschreibung auf ein gesamthänderisches Rücklagenkonto liegt ein unentgeltlicher Vorgang vor, welcher nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu Buchwerten erfolgt. Bei Buchung gegen das Kapitalkonto I als auch gegen ein gesamthänderisches Rücklagenkonto liegt in vollem Umfang eine entgeltliche Übertragung gegen Gesellschaftsrechte vor, welche insofern gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu Buchwerten erfolgt.
Bei Buchung gegen ein Gesellschafter-Darlehenskonto liegt keine Übertragung von Gesellschaftsrechten und kein unentgeltlicher Vorgang vor (s.o.). Es liegt insofern eine Veräußerung vor, die nach den allgemeinen Regeln zu behandeln ist.
Rz. 387
Werden Wirtschaftsgüter unter ihrem Verkehrswert veräußert, also teilentgeltlich übertragen, findet nach (umstrittener) Verwaltungsauffassung die Trennungstheorie Anwendung. Die Wirkung der Trennungstheorie besteht darin, dass dem schädlichen Teilentgelt nur derjenige Teil des steuerlichen Buchwerts des Wirtschaftsguts zugerechnet wird, der dem Verhältnis zwischen der Gegenleistung und dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts entspricht. Hinsichtlich des entgeltlichen Teils der Übertragung liegt eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor und es kommt insoweit zur Teilrealisierung der stillen Reserven. Die Anwendbarkeit der Trennungstheorie war Gegenstand eines BFH-Verfahrens, wobei es wegen Erledigung in der Hauptsache nicht zu einer Entscheidung durch den BFH kam.