Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 200
Der Begriff der Herstellungskosten ist in § 255 Abs. 2, 2a, 3 HGB detailliert geregelt. Er bildet den Bewertungsmaßstab für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände und gilt gleichermaßen für das Anlage- und Umlaufvermögen bei Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Gegenstand der Herstellungskosten sind nicht kalkulatorische Kosten, sondern Aufwendungen i.S.d. Handelsrechts. Bei den verschiedenen, potenziell zu Herstellungskosten führenden Aufwendungen ist einerseits zwischen direkt zurechenbaren Einzelkosten und Gemeinkosten sowie andererseits zwischen variablen und fixen Kosten zu unterscheiden.
Rz. 201
Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 HGB liegt die Untergrenze der Herstellungskosten bei den Einzelkosten. Insoweit ist der handelsrechtliche Begriff der Herstellungskosten durch das BilMoG (näher Rdn 53) an den steuerrechtlichen angeglichen worden. Nach § 255 Abs. 2 HGB besteht ein Ansatzgebot für die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs für das Anlagevermögen, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Ein Ansatzwahlrecht gibt es für Kosten der allgemeinen Verwaltung und ähnliche Kosten sowie Fremdkapitalzinsen, sofern diese fertigungsbezogen sind. Ein Ansatzverbot besteht neben der unzulässigen Einbeziehung von Vertriebskosten ausdrücklich auch für die Forschungskosten.
Das Wahlrecht des § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB bedeutet die Obergrenze der Herstellungskosten. Die Aktivierung von Finanzierungskosten ist grds. nicht statthaft, doch sieht § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB eine Bewertungshilfe vor, um Fremdkapitalzinsen in die Herstellungskosten einzurechnen, soweit sie
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auf Kapital, das unmittelbar zur Herstellung eines Vermögensgegenstandes führt, und |
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auf den Herstellungszeitraum entfallen. |
Rz. 202
Vertriebskosten gehören generell nicht, also auch dann nicht, wenn sie sich als Einzelkosten direkt zurechnen ließen, zu den Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). Dies hat seinen Grund darin, dass zum einen der Produktionsvorgang bereits beendet ist und zum anderen die Vertriebskosten den Wert des fertigen Erzeugnisses nicht weiter erhöhen. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung eines (neuen) Produktes entstanden sind, können gem. §§ 248 Abs. 2, 255 Abs. 2a HGB grds. in die Herstellungskosten eingerechnet werden.
Rz. 203
Herstellungskosten sind nicht nur die Aufwendungen für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, sondern auch Aufwendungen, die der Erweiterung oder der wesentlichen Verbesserung eines (angeschafften oder hergestellten) Vermögensgegenstandes dienen (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB). Herstellungsaufwand ist zu aktivieren und demzufolge erfolgsneutral, während sog. Erhaltungsaufwand nicht aktiviert wird und sich damit als Aufwand erfolgswirksam auswirkt. Die Vorschrift hat ihren Hauptanwendungsbereich im Zusammenhang mit der Veränderung von Gebäuden. Wird etwa ein Anbau errichtet, ein Dachgeschoss ausgebaut und damit die nutzbare Fläche vergrößert oder die Substanz vermehrt (z.B. Einbau einer Alarmanlage), liegt eine Erweiterung vor. Ohne eine Gebäudeerweiterung kommen Herstellungskosten in Betracht, wenn der Gebrauchswert eines Gebäudes als Ganzes durch Hebung des Standards wesentlich erhöht wird. Eine Sonderbehandlung von Aufwendungen im zeitlichen Zusammenhang mit der Gebäudeanschaffung (sog. anschaffungsnahe Aufwendungen) hat der BFH für das Handelsrecht aufgegeben.
Hinweis
Für steuerliche Zwecke ist die Sondervorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu beachten, die die frühere Praxis des BFH zum anschaffungsnahen Aufwand inzwischen gesetzlich festgeschrieben hat.