Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 394
Im Unterschied zu den Überführungen nach Satz 1 und 2 wechselt bei einer Übertragung nach Satz 3 der wirtschaftliche Eigentümer des Wirtschaftsguts. Die Buchwertübertragung nach Satz 3 ist daher mit einer 4-jährigen Haltefrist ("Sperrfrist") verknüpft. Nach der Rspr. des BFH sind vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG allerdings zutreffend solche Fälle auszunehmen, bei denen es nicht zu einer (zumindest teilweisen) Übertragung stiller Reserven auf eine andere Person kommt (teleologische Reduktion).
Dies betrifft insbesondere Übertragungen von oder auf eine Einmann-GmbH & Co. KG. Ungeachtet des o.g. BFH-Urteils orientiert sich die Finanzverwaltung weiterhin zu Unrecht streng am Wortlaut von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG und geht davon aus, dass die Wirkung der Sperrfristregelungen nur dann suspendiert wird, wenn eine Zuordnung von stillen Reserven über eine Ergänzungsbilanz erfolgt ist, und eine solche zur Zuordnung der stillen Reserven auch tatsächlich erforderlich ist. Bei 100 %-Beteiligungen bestehen also Unsicherheiten, dass die Zuordnung über eine Ergänzungsbilanz möglicherweise nicht anerkannt wird (vgl. R. 6.15 EStR). Gleichwohl sollte eine Ergänzungsbilanz auch in diesen Fällen vorsorglich aufgestellt werden.
Die spätere Veräußerung oder Entnahme des übertragenen Wirtschaftsguts innerhalb einer festgesetzten Sperrfrist führt grds. dazu, dass gem. § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG rückwirkend der volle Teilwert anzusetzen ist, womit es zu einer vollständigen Aufdeckung der stillen Reserven kommt. Die Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden. Grds. kann das Entstehen der "Sperrfrist" nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG dadurch verhindert werden, dass eine Ergänzungsbilanz aufgestellt wird, in der die stillen Reserven zutreffend zugeordnet werden (s.o.).
Rz. 395
Zur Vermeidung von Gestaltungen zur Umgehung der Körperschaftsklausel in § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG, beinhaltet § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG eine weitere Sperrfrist. Jede Begründung oder Erhöhung des unmittelbaren oder mittelbaren Anteils einer Kapitalgesellschaft an dem seinerzeit übertragenen Wirtschaftsguts führt innerhalb einer siebenjährigen Frist ab dem seinerzeitigen Übertragungsstichtags zu einem rückwirkenden (anteiligen) Ansatz des Teilwerts und damit zu einer (teilweisen) ertragswirksamen Aufdeckung der stillen Reserven.
Satz 6 hat überschießende Tendenz, die auch durch Verwaltungsanweisungen nicht begrenzt werden. Satz 6 soll sämtliche der Übertragung nachgelagerte Vorgänge beliebiger Art erfassen. Das Entstehen der Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG soll nicht durch die Aufstellung einer Ergänzungsbilanz verhindert werden können. Daher besteht bei Umwandlungsvorgängen innerhalb von sieben Jahren nach Übertragung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, die Berührungspunkte zu Kapitalgesellschaften aufweisen, das Risiko einer rückwirkend entstehenden Steuerbelastung. Kritische Fälle sind insoweit z.B. der Formwechsel der übernehmenden Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder die Einbringung von Anteilen an der übernehmenden Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Nach hier vertretener Auffassung liegt kein Fall des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG vor, wenn ein zuvor in eine Mitunternehmerschaft eingelegter Anteil an einer Kapitalgesellschaft von der Mitunternehmerschaft weiter in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird, z.B. als Anteilstausch nach § 21 UmwStG. Dieser Fall kann allenfalls unter § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG subsumiert werden, da die Einlage im Rahmen des Anteilstauschs nach Verwaltungsauffassung steuerlich als Veräußerung gilt. Im Übrigen tritt der erhaltene Anteil steuerlich an die Stelle des hingegeben Anteils, m.a.W. würde sich eine Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG einfach fortsetzen. Die Sperrfrist nach Satz 6 findet keine Anwendung, soweit die neu eintretende Kapitalgesellschaft vermögensmäßig nicht an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Einige Streitfragen zu § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG wurden in 2022 durch den BFH entschieden.