Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
(1) Anknüpfungspunkt einbehaltener Gewinn
Rz. 283
§ 34a EStG soll mit einer Thesaurierungsbegünstigung für nicht entnommene Gewinne ein Beitrag zur Rechtsformneutralität bei der Besteuerung von Einzelunternehmern und Mitunternehmerschaften im Vergleich zu der Besteuerung von Kapitalgesellschaften leisten. Ausgangspunkt für die Ermittlung des nicht entnommenen Gewinns ist der Gewinn laut Steuerbilanz (§§ 4, 5 EStG). Der Gewinn nach §§ 4, 5 EStG ist um Entnahmen zu erhöhen und um Einlagen zu vermindern.
Rz. 284
Nach bisher überwiegender, auch von der Finanzverwaltung geteilter Ansicht, wirkt sich die unterjährig gezahlte (nicht abziehbare) Gewerbesteuer in diesem Schema nicht als "Entnahme" i.S.d. Regelung aus. Der begünstigungsfähige nicht entnommene Gewinn i.S.d. § 34a Abs. 2 EStG ist aber dennoch um die verausgabte Gewerbesteuer des Wirtschaftsjahres zu mindern, da es sich um einen effektiv abgeflossenen Betrag handelt, der die auf einer Liquiditätsbetrachtung aufbauende Begünstigungsgröße des nicht entnommenen Gewinns vermindert hat. Folglich mindert der Abfluss der Gewerbesteuer im Endeffekt den begünstigungsfähigen Gewinn. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Einkommensteuer auf die betrieblichen Einkünfte im Regelfall auch aus dem Betrieb gezahlt und damit entnommen wird. Auch insoweit ist eine Begünstigung des erzielten Gewinns ausgeschlossen. Beide Effekte sind in Wissenschaft und Schrifttum vielfach kritisiert worden. Mit dem Wachstumschancengesetz 2024 wurden diese beiden systematischen Fehler beseitigt und eine weitgehende Angleichung an das System der Kapitalgesellschaften erreicht.
(2) Wirkungsweise der Tarifbegünstigung
(a) Begünstigung und Nachversteuerung
Rz. 285
Die Besteuerung des begünstigten nicht entnommenen Gewinns erfolgt im Begünstigungsjahr mit 28,25 % + SolZ. Diese Tarifbegünstigung wird nur auf Zeit gewährt und hat den Effekt einer Steuerstundung. Anlassbezogen, bspw. bei einer Überentnahme, d.h. die Entnahmen übersteigen die Einlagen und den Gewinn, kommt es zu einer Nachversteuerung des bislang begünstigten Gewinns. Gem. § 34a Abs. 4 Satz 2 EStG beträgt die feste Einkommensteuer auf den Nachversteuerungsbetrag 25 %. Aufgrund dieser Regelung ist die Vorteilhaftigkeit der Anwendung von § 34a EStG im Einzelfall zu prüfen. Insbesondere sollte von einer Inanspruchnahme von § 34a EStG Abstand genommen werden, wenn nach dem regulären Einkommensteuertarif der Grenzsteuersatz unterhalb der 28,25 % liegt. Dies bedeutet auch, dass – wenn neben gewerblichen Einkünften keine weiteren Einkünfte vorliegen – ein gewisser Grundbetrag der gewerblichen Einkünfte (z.B. 100.000,00 EUR für einzelveranlagte Personen und 200.000,00 EUR bei Zusammenveranlagung stets nach dem regulären Tarif besteuert werden sollte, um die niedrigen Progressionsstufen zu nutzen und ggf. den Abzug von Sonderausgaben u.Ä. zu erreichen. Die größte Auswirkung wird durch Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung für nicht entnommene Gewinne naturgemäß erreicht, wenn übrige Einkünfte in einer Höhe vorliegen, so dass insgesamt der Spitzensteuersatz Anwendung findet.
Hinweis
Die Thesaurierungsbegünstigung für nicht entnommene Gewinne sollte grds. nur in Anspruch genommen werden, soweit die begünstigungsfähigen Einkünfte ansonsten einer regulären Einkommensteuerbelastung im Bereich des Spitzensteuersatzes unterlägen hätten.
Wenn eine Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung für nicht entnommene Gewinne im größtmöglichen Umfang erreicht werden soll, sind bei der Ausgestaltung im Einzelnen diverse Einzelheiten zu beachten. Insbesondere ist eine detaillierte Planung von Entnahmen und Einlagen notwendig.
Rz. 286
Weitere Nachversteuerungsanlässe neben der Überentnahme werden in § 34a Abs. 6 EStG geregelt. Bislang war eine Nachversteuerung lediglich für den Fall der Veräußerung/Einbringung/Aufgabe des gesamten Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils vorgesehen. Infolge der Änderungen durch das Wachstumschancengesetz 2024 führt inzwischen jedoch auch die Veräußerung eines Teilbetriebs/Teilmitunternehmeranteils, die Einbringung eines Teilbetriebs/Teilmitunternehmeranteils sowie die entgeltliche Aufnahme eines Mitunternehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen zu einer Nachversteuerung. Bei einer unentgeltlichen Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG auf eine natürliche Person führt der Rechtsnachfolger den nachversteuerungspflichtigen Betrag for...