Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 168
Passive Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) dienen gleichermaßen wie aktive Rechnungsabgrenzungsposten einer möglichst objektiven Ermittlung des Periodenergebnisses dergestalt, dass Erträge dem Wirtschaftsjahr ihrer Verursachung zugeordnet werden sollen. Deshalb sind nach § 250 Abs. 2 HGB Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie erst einen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen, mittels eines passiven RAP zu neutralisieren.
Beispiel
Die ABC-OHG hat an M ein Ladenlokal für 48.000,00 EUR p.a. vermietet. Das Mietverhältnis hat am 1.10.2021 begonnen. M hat – wie im Mietvertrag vereinbart – die gesamte Jahresmiete jeweils zum 1.10. zu überweisen und dies auch im Oktober 2021 getan.
Die OHG hat bereits im Jahre 2021 Einnahmen erzielt, doch ist der Ertrag zu ¾ erst dem folgenden Geschäftsjahr 2022 zuzuordnen. Deshalb muss ein passiver RAP i.H.v. 36.000,00 EUR in der Bilanz 2021 gebildet werden.
Im Einzelfall kann ein bestimmter Geschäftsvorfall sowohl einen aktiven als auch passiven RAP auslösen.
Beispiel
Die ABC-OHG hat von V ein Ladenlokal für 48.000,00 EUR p.a. gemietet. Das Mietverhältnis hat am 1.10.2021 begonnen. Die OHG überwies die Mieten Oktober bis Dezember (12.000,00 EUR) nicht bei Fälligkeit am 1.10.2021, sondern erst im Januar 2022.
Der Mietaufwand ist dem Geschäftsjahr 2021 zuzuordnen, doch sind die Ausgaben erst im Jahr 2022 erfolgt. Deshalb wäre das Periodenergebnis für das Geschäftsjahr 2021 zu hoch ausgewiesen und muss über einen passiven RAP gemindert werden. Umgekehrt sind die Ausgaben im Januar 2022 dem Geschäftsjahr 2021 als Aufwand zuzuordnen, sodass die gezahlten 12.000,00 EUR mittels eines aktiven RAP ausgeglichen werden müssen.
Ein passiver RAP kommt auch bei der Forfaitierung von Leasingraten in Betracht. Dies betrifft den Fall, dass der Leasinggeber künftige Leasingraten aus einem Leasinggeschäft mit dem Leasingnehmer typischerweise an ein Kreditinstitut verkauft, wobei das Bonitätsrisiko auf den Forderungskäufer übergeht. Der BFH hat in einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1997 entschieden, dass auch die Einnahmen des Leasinggebers aus dem Forderungsverkauf passiv abgegrenzt werden müssen. Für die Frage der Rechnungsabgrenzung könne, so der BFH ausdrücklich, nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Leasinggeber ggü. der Bank, welche die Forderung gekauft hat, verpflichtet bleibt, für die einredefreie Erfüllung des Leasingvertrages Sorge zu tragen. Andernfalls entstünden Rückabwicklungsansprüche der Bank gegen den Leasinggeber.
Passive RAP sind ebenso wie aktive auf sog. transitorische Posten im engeren Sinne beschränkt. Handelt es sich um Einnahmen, die teilweise als Ertrag auf die Zeit nach dem Abschlussstichtag entfallen, bei denen diese Zeit aber nicht eindeutig nach dem Kalender bestimmt werden kann, so muss der volle Betrag im Jahr der Vereinnahmung angesetzt werden. Einschränkend geht die Rspr. des BFH davon aus, dass für einmalige Entschädigungen für Unterlassungslasten oder Zuschüsse ein passiver RAP auch dann zu bilanzieren ist, wenn der Zeitraum nicht eindeutig kalendermäßig fixiert werden kann, sich aber aus der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarung ein Mindestzeitraum ergibt, dem die Zahlung als Ertrag zuzurechnen ist. Auch das Entgelt für eine zeitlich unbegrenzte Unterlassungspflicht ist transitorisch abzugrenzen und über 25 Jahre zu verteilen.
Beispiel
Die A-GmbH erhält von einem Energieversorgungsunternehmen eine Entschädigungszahlung i.H.v. 1 Mio. EUR dafür, dass es die Verlegung eines Kabels durch sein Betriebsgrundstück duldet.
Nach Ansicht des BFH ist die einmalige Entschädigungszahlung für die immer währende und damit zeitlich an sich nicht begrenzte Nutzung eines Grundstücks als Kapitalwert einer ewigen Rente zu erfassen, die rechnerisch wie eine auf bestimmte Zeit gezahlte Rente zu behandeln und dementsprechend passiv abzugrenzen ist. Anders verhielte es sich nur dann, wenn feststünde, dass die Pflicht zur Nutzungsüberlassung in der Zukunft erlöschen würde, ohne dass allerdings genau festgestellt werden kann, nach welcher (Mindest-)Zeit dies der Fall sein könnte. In einem vergleichbaren Fall – nämlich den vereinnahmten Entschädigungszahlungen bei vorzeitiger Beendigung von Hausverwalterverträgen – hat das FG Berlin allerdings die Bildung eines passiven RAP nicht anerkannt. Begründet wird dies damit, dass die Entschädigung nicht für die zukünftigen Unterlassungen gezahlt worden sei, sondern für den einmaligen Verzicht auf eine Rechtsposition oder die endgültige Aufgabe einer Rechtsposition. Dem hat sich der BFH vollumfänglich angeschlossen und für die Aufhebung von Schuldverhältnissen mit bestimmter Laufzeit gegen Entschädigung die Bildung passiver RAP abgelehnt.