Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
1. Bilanzbegriff
Rz. 4
Die Bilanz ist eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der Vermögensgegenstände (Aktiva bzw. Aktivposten) eines Unternehmens und der zur Finanzierung eingesetzten Mittel (Passiva bzw. Passivposten), letztere getrennt nach der Mittelherkunft der Unternehmenseigentümer (Eigenkapital) und der Gläubiger (Fremdkapital bzw. Schulden). Für den formalen Aufbau wird üblicherweise die Kontoform verwendet. Das Eigenkapital ergibt sich aus der Differenz (Saldo) zwischen dem auf der Aktivseite ausgewiesenen Vermögen (Anlage- und Umlaufvermögen), welche die konkrete Investition des Vermögens widerspiegelt (Mittelverwendung) und dem auf der Passivseite ausgewiesenen Kapital (Mittelherkunft). Beide Seiten müssen sich im rechnerischen Ergebnis entsprechen. Daraus leitet sich der Begriff "Bilanz" her ("bilanx", lateinisch: zwei Waagschalen hebend; "bilancia", italienisch: Waage, Gleichgewicht).
Beispiel
Aktiva |
Passiva |
Anlagevermögen |
|
Eigenkapital |
20 |
Immaterielle Vermögensgegenstände |
10 |
(Reinvermögen) |
|
Sachanlagen |
30 |
Fremdkapital |
|
Finanzanlagen |
5 |
langfristige Verbindlichkeiten |
40 |
Umlaufvermögen |
|
kurzfristige Verbindlichkeiten |
35 |
Vorräte |
20 |
Rechnungsabgrenzungsposten |
5 |
Forderungen |
10 |
|
|
Wertpapiere |
15 |
|
|
Zahlungsmittel |
5 |
|
|
Rechnungsabgrenzungsposten |
5 |
|
|
|
100 |
|
100 |
Vermögen = Mittelverwendung |
Kapital = Mittelherkunft |
Rz. 5
Dem Anlagevermögen werden die Vermögensgegenstände zugerechnet, welche dem Betrieb auf eine längere Dauer dienen (z.B. Grund und Boden, Gebäude, Maschinen, Finanzanlagen). Zum Umlaufvermögen gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, welche gewöhnlich innerhalb einer kürzeren Zeitspanne umgesetzt bzw. verarbeitet werden (z.B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Waren, Zahlungsmittel). Unter Eigenkapital versteht man die Summe aller zur Verfügung gestellten Mittel des Einzelunternehmers bzw. der Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Zum Fremdkapital gehören diejenigen Mittel, welche dem Unternehmen von Gläubigern zur Verfügung gestellt werden (z.B. Lieferantenverbindlichkeiten, Bankverbindlichkeiten).
Die Bilanz zeigt damit zunächst auf einen Stichtag bezogen, wie viel Eigenkapital in welcher konkreten Verwendungsform in einem Unternehmen investiert ist. Darüber hinaus lässt sich aber auch der Erfolg einer Periode ermitteln, indem man das Eigenkapital am Ende und am Anfang eines Geschäftsjahres zueinander in Beziehung setzt.
Beispiel
Bilanz 2018 |
|
Bilanz 2019 |
Vermögen |
120 |
Eigenkapital |
50 |
|
Vermögen |
120 |
Eigenkapital |
80 |
|
|
Schulden |
70 |
|
|
|
Schulden |
40 |
|
120 |
|
120 |
|
|
120 |
|
120 |
Das Eigenkapital hat im Vergleich zwischen 2018 und 2019 um 30 (50 zu 80) zugenommen.
Rz. 6
Soweit nicht externe, betriebsfremde Einflüsse (Einlagen, Entnahmen) das Eigenkapital beeinflusst haben, zeigt sich durch den Bilanzvergleich das Ergebnis der Geschäftstätigkeit. Erhöht sich das Eigenkapital, bedeutet dies einen Gewinn (bei Kapitalgesellschaften: Jahresüberschuss); sinkt das Eigenkapital, bedeutet dies einen Verlust bzw. bei Kapitalgesellschaften einen Jahresfehlbetrag.
Da sich das (Eigen-)Kapital aus dem Wert der Vermögensgegenstände abzgl. des Fremdkapitals (Schulden) ermittelt, kann das Eigenkapital auch negativ werden, wenn die Schulden größer sind als das Aktivvermögen. Das Eigenkapital erscheint dann auf der Aktivseite der Bilanz.
Beispiel
A-GmbH |
Aktiva |
45.000,00 EUR |
Schulden |
52.000,00 EUR |
Eigenkapital |
7.000,00 EUR |
|
|
|
52.000,00 EUR |
|
52.000,00 EUR |
Im Beispielsfall liegt eine sog. rechnerische Überschuldung von 7.000,00 EUR vor. Würde es sich um eine ordentliche Jahresabschlussbilanz i.S.d. §§ 242 ff., 264 ff. HGB handeln, folgt daraus aber nicht zwingend, dass die A-GmbH auch im insolvenzrechtlichen Sinne überschuldet ist und deshalb der Geschäftsführer gem. § 15a InsO die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen muss. Vielmehr ist der sog. Überschuldungsstatus als Vermögensstatus nach eigenständigen Regeln zu erstellen.
2. Bilanzielles Grundverständnis
a) "Denken in Bilanzen"
Rz. 7
Da jeder Vorfall das Bilanzbild verändert, beruht das bilanzielle Grundverständnis darauf, unabhängig von der konkreten Buchführungstechnik "in Bilanzen zu denken". Zu unterscheiden sind Geschäftsvorfälle, die mangels Gewinnauswirkung das Eigenkapital nicht ändern, von denjenigen, die mit Gewinnauswirkung das Eigenkapital beeinflussen. Schichtet ein konkreter Geschäftsvorfall einzelne Bilanzpositionen nur um, so sind sie im Hinblick auf eine eventuelle Ergebnis- bzw. Eigenkapitalbeeinflussung erfolgsneutral. Ändern Geschäftsvorfälle das Eigenkapital, dann können sie entweder erfolgswirksam (Aufwendungen, Erträge) oder wiederum erfolgsneutral (Einlagen, Entnahmen) sein. Jeder einzelne Geschäftsvorfall ändert mindestens zwei Bilanzpositionen, und zwar entweder nur Positionen der Aktiv- oder nur der Passivseite oder Positionen beider Bilanzseiten.
b) Erfolgsneutrale Geschäftsvorfälle
Rz. 8
Hinsichtlich der das Eigenkapital nicht ändernden, erfolgsneutralen Geschäftsvorf...