Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
1. Rechtsformunterschiede im Gesellschaftsrecht, Handelsrecht und Arbeitsrecht
Rz. 248
Einzelunternehmern, Personen- und Kapitalgesellschaften zeichnen sich durch Rechtsformunterschiede aus. Neben der steuerlichen Betrachtung sind die "klassischen" Abgrenzungskriterien zur Kapitalbeschaffung und Haftungsbeschränkung von wesentlicher Bedeutung. Für Familienunternehmen sind Rechtsformunterschiede bei der Publizität von Jahresabschlüssen häufig entscheidungserheblich. Auch im Arbeitsrecht ist die unternehmerische Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsgremien rechtsformabhängig.
Rz. 249
Die Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften unterliegen grds. umfangreichen Prüfungs- und Offenlegungspflichten. Personengesellschaften mit einer natürlichen Person als Vollhafter sind dagegen nur nach Maßgabe des PublG prüfungs- und offenlegungspflichtig (s. Rdn 227).
Rz. 250
Kapitalgesellschaften mit mehr als 2.000 bzw. mehr als 500 Mitarbeitern unterliegen der unternehmerischen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer nach MitbestG und DrittelbG (Pflicht zur Errichtung eines zur Hälfte bzw. zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrates). Personengesellschaften unterliegen hingegen grds. keiner unternehmerischen Mitbestimmung durch Arbeitnehmer nach MitbestG und DrittelbG (Ausnahme: Zurechnung zu einer deutschen Komplementär-GmbH bei einer GmbH & Co. KG) (s. § 25 Rdn 136 ff.).
Rz. 251
Insbesondere im Bereich der eigentümergeführten Unternehmen bzw. Familienunternehmen wird den vorgenannten Aspekten "Publizität" und "unternehmerische Mitbestimmung" hohe Bedeutung beigemessen. Diese vorgenannten Kriterien können insofern für eine unternehmerische Betätigung über die Rechtsform einer Personengesellschaft sprechen.
2. Rechtsformunterschiede im Steuerrecht
a) Ertragsteuern
aa) Einkommensteuer und Gewerbesteuer bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften
Rz. 252
Die Grundform der gewerblichen Betätigung/Einkünfteerzielung ist das Einzelunternehmen, welches durch eine natürliche Person auf eigenen Namen sowie Rechnung geführt wird. Die gewerblichen Einkünfte aus einem Einzelunternehmen werden bei der Einkommensteuer zusammen mit den weiteren Einkünften nach den persönlichen Verhältnissen des Einzelunternehmers besteuert. Der Steuersatz (hier als sog. "Grenzsteuersatz" zu verstehen) beträgt bei Einzelveranlagung des Unternehmers ab einem zu versteuernden Einkommen von 62.809,00 EUR (2023) für hinzukommendes steuerpflichtiges Einkommen 42 % zzgl. Solidaritätszuschlag (5,5 % der Einkommensteuer) und zzgl. Kirchensteuer, soweit diese anfällt (ca. 8–9 % je nach Konfession und Landeskirche). Ab einem zu versteuernden Einkommen von 277.826,00 EUR (2023) beträgt der Einkommensteuertarif für hinzukommendes steuerpflichtiges Einkommen 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag (5,5 % der Einkommensteuer) und zzgl. Kirchensteuer, soweit diese anfällt.
Rz. 253
Zusätzlich fällt Gewerbesteuer an. Die Gewerbesteuer beträgt 3,5 % des Gewinns für gewerbesteuerliche Zwecke ("Gewerbesteuermessbetrag") multipliziert mit dem individuellen Hebesatz der Stadt/Gemeinde, in der Betriebsstätten unterhalten werden. Bei Betriebsstätten in mehreren Städten/Gemeinden erfolgt eine Gewerbesteuerzerlegung. Für Belastungsrechnungen wird in der Regel auf einen Gewerbesteuerhebesatz von 400 % abgestellt, wenngleich der tatsächliche Hebesatz in vielen Fällen höher ist. Bei einem Hebesatz von 400 % beträgt die Belastung mit Gewerbesteuer 14 %.
Rz. 254
Die Gewerbesteuer ist nach § 35 EStG im Rahmen eines pauschalierten Verfahrens auf die Einkommensteuer anrechenbar ("Gewerbesteueranrechnung"). Konkret ermäßigt sich die Einkommensteuer um das 4fache des Gewerbesteuermessbetrags, höchstens jedoch um die tatsächliche Gewerbesteuer (zu Einzelheiten s. Rdn 292 ff.). Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % und einem Gewinn von 100 Punkten reduziert sich die Einkommensteuer durch die pauschale Gewerbesteueranrechnung von grds. 45 Punkten (bei Anwendung des Spitzensteuersatzes) um 14 Punkte auf 31 Punkte. Die Gesamtbelastung als Summe aus Gewerbesteuer (14 Punkte bei einem Hebesatz von 400 %) und Einkommensteuer (31 Punkte nach Gewerbesteueranrechnung) beträgt dann 45 Punkte, worauf zusätzlich noch Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer zu berechnen sind. Bei höheren Gewerbesteuerhebesätzen steigt die Gesamtbelastung, da die Gewerbesteueranrechnung durch die Pauschalierung begrenzt ist und keine Vollanrechnung erfolgt.
Rz. 255
Für nicht entnommene Gewinne kann auf Antrag ein reduzierter Einkommensteuersatz nach § 34a EStG in Höhe von 28,25 % in Anspruch genommen werden (zu Einzelheiten s. Rdn 285 ff.). Da die Einkommensteuer privat geschuldet wird, muss sie in der Regel aus dem Unternehmen entnommen werden. Folglich musste bisher für Belastungsrechnungen aus Objektivierungsgründen davon ausgegangen werden, dass die Einkommensteuer auf den Unternehmensgewinn (unter Berücksichtigung des reduzierten Einkommensteuersatz nach § 34a ESt...