Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
1. Nationale Rechtsquellen
Rz. 52
Das Handelsbilanzrecht wird im Wesentlichen durch die Vorschriften des Dritten Buchs des HGB "Handelsbücher" geregelt (§§ 238 ff. HGB). Der erste Abschnitt (§§ 238–263 HGB) enthält "Vorschriften für alle Kaufleute" und ist damit rechtsformunabhängig an Einzelkaufleute, Personenhandels- und Kapitalgesellschaften adressiert. Im zweiten Abschnitt (§§ 264–335c HGB) sind allgemeine, aber bereits rechtsformspezifische Vorschriften für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne Vollhaftung einer natürlichen Person (insb. GmbH & Co. KG) geregelt. Der erste Unterabschnitt befasst sich mit dem Einzelabschluss der Kapitalgesellschaft und dem Lagebericht (§§ 264–289f HGB), der zweite Unterabschnitt mit dem Konzernabschluss und Konzernlagebericht (§§ 290–315e HGB), der dritte Unterabschnitt mit der Prüfung (§§ 316–324a HGB) und der vierte Unterabschnitt mit der Offenlegung (§§ 325–329 HGB). Der sechste Unterabschnitt schließt mit Strafgeld- und Bußgeldvorschriften sowie Zwangsgeldern (§§ 331–335c HGB). Im dritten Abschnitt finden sich ergänzende Vorschriften für eingetragene Genossenschaften (§§ 336–339 HGB). Im vierten Abschnitt folgen branchenspezifische Bilanzierungsvorschriften für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Unternehmen des Rohstoffsektors (§§ 340–341y HGB). Schließlich sieht der fünfte Abschnitt Bestimmungen über die Zuweisung von Kompetenzen durch das BMJ an ein privates Rechnungslegungsgremium bzw. an einen Rechnungslegungsbeirat im Zusammenhang mit der Fortentwicklung der nationalen Rechnungslegungsvorschriften vor (§§ 342–342a HGB).
Rz. 53
Durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz hat das deutsche Handelsbilanzrecht die umfassendste Reform seit mehr als 20 Jahren erfahren. Das Gesetz dient der Umsetzung der Abänderungsrichtlinie und der Abschlussprüferrichtlinie und verfolgt zudem das Ziel, die Rechnungslegung nach dem HGB mit den internationalen Rechnungslegungsregeln zu harmonisieren. Die Arbeiten an dem Gesetz waren von intensiver Diskussion begleitet. So sorgten der RefE des BMJ vom 8.11.2007 und der RegE vom 23.5.2008 für ein nachhaltiges Echo in der Lit.; vielen geäußerten Bedenken wurde schließlich Rechnung getragen.
Rz. 54
Weitere, wenn auch nicht so umfassende Reformen, hat das Handelsbilanzrecht durch das MicroBilG und das BilRUG erfahren. Mit dem MicoBilG wurden vor allem Erleichterungen bei der Rechnungslegung für sog. Kleinst(kapital)gesellschaften im Zuge des durch die Reform neu geschaffenen § 267a HGB eingeführt.
Das BilRUG gilt der Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/34/EU, welche die bisherigen Bilanzierungsrichtlinien (4. und 7. EG-Richtlinie; s. Rdn 58) ersetzt. Soweit das deutsche Handelsbilanzrecht den Vorgaben der Richtlinie aufgrund der vorangegangenen Reformen noch nicht genügte, wurden neben redaktionellen Änderungen und Klarstellungen unter anderem weitere Erleichterungen für kleine und kleinste Kapitalgesellschaften geschaffen, Ansatz- und Bewertungsvorschriften sowie Angabepflichten im Anhang geändert und Änderungen zur Harmonisierung der Konzernabschlüsse vorgenommen. Die für die Praxis bedeutsamsten Neuerungen dürften neben den geänderten Anhangsangaben die Anhebung der Schwellenwerte in § 267 HGB, die Neudefinition der Umsatzerlöse in § 277 Abs. 1 HGB, der Wegfall außerordentlicher Posten in der GuV-Gliederung in § 275 HGB sowie die Einstandspflicht des § 264 Abs. 3 HGB sein. Die Änderungen des BilRUG finden nach Art. 75 Abs. 1 EGHGB erstmals auf Abschlüsse Anwendung, die sich auf nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahre beziehen. Für die Anwendung der erhöhten Schwellenwerte zur Einteilung der Größenklassen (§§ 267, 293 HGB) und die geänderte Definition der Umsatzerlöse (§ 277 Abs. 1 HGB) besteht ein Wahlrecht zur Anwendung auf Geschäftsjahre nach dem 31.12.2013, das allerdings nur einheitlich ausgeübt werden kann, Art. 75 Abs. 2 EGHGB.
Durch das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten wurden für Kapitalgesellschaften, die dem Anwendungsbereich des § 289b HGB unterfallen, umfassende Berichtspflichten nichtfinanzieller Art geschaffen (s. Rdn 59).
Rz. 55
Außerhalb des HGB finden sich neben den bereits angesprochenen Querbezügen zum Gesellschaftsrecht der AG (§§ 58, 150–161, 170–174, 256–257 AktG), der KGaA (§ 286 AktG), der GmbH (§§ 29, 42, 42a GmbHG) und der Genossenschaft (§§ 33, 48, 53, 160 GenG) Sondervorschriften für Großunternehmen und branchenspezifische Vorschriften. Das Publizitätsgesetz von 1969 (PublG) erfasst den (seltenen) Fall, dass große Unternehmen von einem Einzelkaufmann bzw. einer Personenhandelsgesellschaft mit Vollhaftung mindestens einer natürlichen Person geführt werden und enthält Vorschriften zur Aufstellung der Bilanz und der GuV-Rechnung (§ 5 Abs. 1 PublG) sowie zur Prüfung und zur Offenlegung der Jahresabschlüsse und u.U. der Lageberichte (§§ 6 Abs. 1, 9 PublG).
Ein großes Unternehmen lieg...