Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
aa) Begriff
Rz. 173
Rechtsformneutral gesprochen ist das bilanzielle bzw. rechnerische Eigenkapital die Differenz zwischen dem Wert der Vermögensgegenstände der Aktivseite der Bilanz und dem Wert der Schulden (Verbindlichkeiten, Rückstellungen) der Passivseite. Dabei repräsentiert die Residualgröße nicht den wahren Unternehmenswert. Geht man von einer substanzorientierten Betrachtungsweise aus, muss man das bilanzielle Eigenkapital um den Anteil der in den Vermögensgegenständen enthaltenen stillen Rücklagen erweitern, um zum effektiven bzw. tatsächlichen Eigenkapital des Unternehmens zu gelangen. Dabei soll zunächst einmal dahingestellt bleiben, dass nach der Theorie der Unternehmensbewertung eine Gesamtbewertungsmethode zugrunde gelegt wird, die auf den Ertragswert, d.h. die diskontierten erwarteten Zukunftsergebnisse, abstellt.
bb) Einzelkaufmann
Rz. 174
Der Einzelkaufmann hat im Jahresabschluss nur sein Betriebsvermögen zu erfassen. Das Betriebsvermögen (Handelsgeschäft) ist vom Privatvermögen des Kaufmanns abzugrenzen. Zwar haftet der Kaufmann für Schulden sowohl mit seinem Betriebs- als auch Privatvermögen, doch erklärt sich die Begrenzung auf den unternehmerischen Bereich daraus, dass die Handelsbilanz den unternehmerischen Erfolg abbilden soll. Das bilanzielle Eigenkapital ist der Saldo, um den die eine Bilanzseite betragsmäßig die Schuldposition der anderen Bilanzseite übersteigt.
Erfolgswirksame Geschäftsvorfälle ändern das Eigenkapital, sodass das Eigenkapital von Schlussbilanz zu Schlussbilanz variabel ist. Entnahmen in die private Vermögenssphäre und Einlagen aus der privaten Vermögenssphäre in die unternehmerische Sphäre wirken sich auf das Eigenkapital aus. Da es sich aber um außerbetriebliche Einflüsse auf das Eigenkapital handelt, werden sie über das Privatkonto (dazu o. Rdn 78) gebucht. Dieses enthält die nicht betrieblich veranlassten Veränderungen des Eigenkapitals. Das Betriebsergebnis des Einzelkaufmanns ergibt sich aus dem Endkapital abzgl. des Anfangskapitals zzgl. der Entnahmen und abzgl. der Einlagen.
cc) Personenhandelsgesellschaften
Rz. 175
Bei den Personenhandelsgesellschaften wird das Eigenkapital der Gesellschafter durch die Zusammenfassung der Kapitalanteile der Gesellschafter dargestellt (vgl. § 120 Abs. 2 HGB). Der Kapitalanteil ist der Anknüpfungspunkt für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Gesellschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit zueinander. Er ist nicht nur maßgeblich für die dispositive Gewinnverteilung nach § 121 Abs. 1 HGB, der eine Art "Vorzugsdividende" gewährt, sondern auch für das Entnahmerecht nach § 122 Abs. 1 HGB und die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens nach § 155 Abs. 1 HGB. Der Kapitalanteil spiegelt den Anteil des Gesellschafters am bilanziell ausgewiesenen Kapital der Gesellschaft wider. Damit gilt auch hier, dass der bilanzielle Kapitalanteil nicht den Verkehrswert der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung abbildet.
Das Regelstatut des HGB geht in § 120 Abs. 2 HGB davon aus, dass die Kapitalanteile der Personengesellschafter einer ständigen Veränderung unterliegen (sog. variabler Kapitalanteil). Der Kapitalanteil eines Gesellschafters entsteht durch Einlagen und ändert sich durch die dem Gesellschafter zugewiesenen Gewinne, Verluste und Entnahmen. Der Kapitalanteil kann auch negativ werden. Es handelt sich dabei allerdings um eine reine Rechnungsgröße, sodass der Gesellschafter aus dem Kapitalanteil weder einen Anspruch ableiten kann noch ein negativer Kapitalanteil eine Schuld ggü. der Gesellschaft ausdrückt. Wie § 155 Abs. 1 HGB zeigt, führt der Kapitalanteil erst zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters bzw. der Auflösung der Gesellschaft zu einem echten Anspruch.
Rz. 176
Da die dispositive gesetzliche Regelung des Kapitalanteils den Erfordernissen der Praxis so gut wie nie gerecht wird, findet sich in fast allen schriftlichen Gesellschaftsverträgen eine Fixierung des Kapitalanteils in Form fester Kapitalanteile. Meist werden diese als festes Kapitalkonto oder als Kapitalkonto I bezeichnet. Damit wird das Beteiligungsverhältnis der Gesellschafter quotenmäßig festgelegt. Dieses bildet die Grundlage für die Gewinnverteilung und regelmäßig auch die Vermögensverteilung im Abfindungs- bzw. Liquidationsfall. Darüber hinaus dient das festgelegte Beteiligungsverhältnis oftmals auch als Maßstab für Mitgliedschaftsrechte, namentlich das Stimmrecht. Daneben wird ein Kapitalkonto II geführt, auf dem der über die auf dem Kapitalkonto I gebuchte Einlage hinausgehende Kapitalanteil, der sich durch Gewinne, Verluste, Entnahmen und ggf. weitere Einlagen verändert, erfasst wird.
Wollen die Gesellschafter darüber hinausgehend die Kapitalbasis der Gesellschaft stärken, indem sie einen Teil des Gewinns unverzinslich im Gesamthandsvermögen belassen wollen, ist dafür ein separates Rücklagenkonto zu bilden, das dann üblicherweise als Kapitalkonto II bezeichnet wird. In diesem Fall muss dann neben dem festen Kapitalkonto I und dem Rücklagenkonto II noch ein weiteres Konto geführt werden, auf ...