Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
Rz. 211
Die Unternehmenslandschaft ist in weiten Teilen durch Unternehmenszusammenschlüsse dergestalt geprägt, dass rechtlich selbstständige Unternehmen (Tochterunternehmen, Enkelunternehmen usw.) unter der einheitlichen Leitung eines Mutterunternehmens zu einer wirtschaftlichen Einheit (Konzern) zusammengefasst werden. Das Mutterunternehmen hat wegen seiner beherrschenden Stellung eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Ergebnis der abhängigen Unternehmen (legal) zu beeinflussen. Wird etwa ein Betriebsteil aus dem Mutterunternehmen in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert, lässt sich der Erfolg der Tochtergesellschaft aus dem Zahlenwerk des Mutterunternehmens nur sehr eingeschränkt ablesen.
Des Weiteren verhält es sich so, dass anknüpfend an die zivilrechtliche Selbstständigkeit der einzelnen Rechtsträger auch bilanzrechtlich in den Einzelabschlüssen die Konsequenz gezogen wird, dass konzerninterne Beziehungen zur Gewinnrealisierung führen. Der Konzernabschluss soll hier Abhilfe schaffen, indem alle darin einbezogenen Unternehmen so dargestellt werden, als ob der Konzern fiktiv ein Unternehmen wäre. Im Wege der sog. Einheitstheorie (§ 297 Abs. 3 HGB) werden die Jahresabschlüsse sämtlicher Konzernunternehmen (der Tochtergesellschaften, Enkelgesellschaften usw. und des Mutterunternehmens) zusammengefasst und dabei die konzerninternen Beziehungen wie Kapitalbeteiligungen, Forderungen, Verbindlichkeiten, Umsatzerlöse und Zwischengewinne eliminiert. Das konsolidierte Ergebnis zeigt allein die Geschäftsvorfälle mit außerhalb des Konzerns stehenden Dritten auf. Damit gibt der Konzernabschluss für Informationszwecke einen umfassenden Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns. Für Konzerne, denen keine börsennotierten Gesellschaften angehören, sieht das Gesetz größenabhängige Befreiungen vor. Werden die gesetzlichen Schwellen unterschritten, muss kein Konzernabschluss aufgestellt werden (§ 293 HGB).
Rz. 212
Der Konzernabschluss hat folgende Bestandteile:
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Konzernbilanz, |
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Konzern-GuV, |
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Konzernanhang, |
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Kapitalflussrechnung und |
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Eigenkapitalspiegel (vgl. § 297 Abs. 1 Satz 1 HGB). |
Ergänzt wird der Konzernabschluss um einen Konzernlagebericht (§ 290 Abs. 1 HGB). Des Weiteren kann freiwillig eine Segmentberichterstattung erfolgen (§ 297 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Rz. 213
Nach dem sog. Weltabschlussprinzip sind grds. alle Unternehmen unabhängig von ihrem Sitz in die Konsolidierung einzubeziehen (§ 294 Abs. 1 HGB), soweit das Gesetz nicht Ausnahmen zulässt (vgl. § 296 HGB). Der Konzernabschluss dient ausschließlich der Information. Er hat keine Bedeutung für die Ausschüttung an die Anteilseigner des Mutterunternehmens und die Ertragsbesteuerung der einzelnen Konzernunternehmen. Deshalb findet auch keine Feststellung des Konzernabschlusses statt, und dieser kann auch nicht von Aktionären angefochten werden.
Rz. 214
§ 290 HGB normiert die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses. Mit Inkrafttreten des BilMoG (näher Rdn 53) wurden das Konzept der einheitlichen Leitung sowie das Kontrollkonzept mit Wirkung zum 1.1.2010 (Art. 66 Abs. 3 Satz 1 EGHGB) abgeschafft und durch das international gebräuchliche Konsolidierungskonzept der "möglichen Beherrschung" ersetzt.
Nach § 290 Abs. 1 HGB sind alle Tochtergesellschaften in den Konzernabschluss eines Mutterunternehmens einzubeziehen, auf die das Mutterunternehmen mittelbar und unmittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Konzeptionell wird damit auch weiterhin an dem Mutter-Tochter-Verhältnis bzw. dem Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses als das die Konzernrechnungslegungspflicht konstituierende Merkmal festgehalten. Ein solcher beherrschender Einfluss liegt – in Anlehnung an IAS 27 – vor, wenn die Möglichkeit der dauerhaften Bestimmung der Finanz- und Geschäftspolitik des Tochterunternehmens besteht und aus der Tätigkeit des Tochterunternehmens Nutzen gezogen werden kann. Die tatsächliche Ausübung des beherrschenden Einflusses durch das Mutterunternehmen ist dabei nicht erforderlich. Ausreichend ist jetzt allein die Möglichkeit, beherrschenden Einfluss auszuüben, womit durch die Neufassung des § 290 Abs. 1 HGB das Erfordernis der Beteiligung gem. § 271 Abs. 1 HGB aufgehoben wurde.
Rz. 215
§ 290 Abs. 2 HGB enthält zur erleichterten Rechtsanwendung des Konsolidierungsprinzips des § 290 Abs. 1 HGB typisierende Tatbestände nach denen ein beherrschender Einfluss des Mutterunternehmens immer vorliegt. Ein solcher ist anzunehmen, wenn dem Mutterunternehmen bei einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB) oder das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leistungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und es gleichzeitig Gesellschafter ist (§ 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Das Gleiche gilt, wenn ihm das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik aufgrund eines mit dem Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrages oder aufgrund ei...