Rz. 4
Die Vorschriften der internationalen Zuständigkeit bestimmen, ob die inländischen Gerichte in ihrer Gesamtheit für die Entscheidung eines Rechtsstreits mit Auslandsberührung zuständig sind (sog. Entscheidungszuständigkeit). Sie setzen jedenfalls nach deutschem Verständnis die Gerichtsbarkeit im Sinne der völkerrechtlich bestimmten Reichweite der inländischen Rechtsprechungsgewalt als eigenständige Prozessvoraussetzung voraus, d.h. die Frage der internationalen Zuständigkeit stellt sich nicht, wenn der Beklagte nicht der Gerichtsbarkeit Deutschlands, etwa aufgrund diplomatischer Immunität, unterworfen ist. Durch welche Gerichte die Staaten die ihnen zugewiesenen Rechtsprechungsaufgaben erfüllen lassen, regeln die Vorschriften über die innerstaatliche Zuständigkeit. Häufig besteht hinsichtlich der zuständigkeitsbegründenden Umstände eine Wechselwirkung zwischen örtlicher und internationaler Zuständigkeit. Die jeweiligen Voraussetzungen sind aber systematisch selbstständig und daher stets getrennt voneinander zu prüfen.
Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit kann für den Ausgang eines Rechtsstreits von maßgeblicher Bedeutung sein. Denn das Gericht führt nicht nur den gesamten Prozess grundsätzlich nach den Regeln des eigenen Verfahrensrechts (lex fori), mit dessen Besonderheiten ausländische Parteien oftmals nicht vertraut sind, sondern ermittelt auch das anwendbare Recht nach dem internationalen Privatrecht der lex fori. Zudem ist die Urteilsanerkennung und -vollstreckung in dem betreffenden Urteilsstaat gesichert, während der Titel in anderen Staaten nur in den Grenzen des dort geltenden internationalen Anerkennungs- und Vollstreckungsrechts durchgesetzt werden kann.
Rz. 5
Ob ein Staat seine Gerichte zur Entscheidung eines grenzüberschreitenden Rechtsstreits ermächtigt, hängt von der Bewertung verschiedener Zuständigkeitsinteressen ab. Neben bestimmten Gerichts- und Ordnungsinteressen sind in erster Linie die Parteiinteressen gegeneinander abzuwägen. Zentrale Kriterien hierbei sind die Parteinähe, die Sachverhaltsnähe, die Nähe zum anwendbaren Sachrecht und die Vollstreckungsnähe. Die "goldene Regel" nicht nur des deutschen Zuständigkeitssystems ist die Eröffnung eines Gerichtsstands am Wohnsitz/Sitz des Beklagten (actor sequitur forum rei). Der Wohnsitzgerichtsstand wird mit dem Interesse des Beklagten gerechtfertigt, sich gegen eine Klage vor den Heimatgerichten zu verteidigen. Die Wertung ist aber nicht zwingend, zumal es dem Beklagten in vielen Fällen zumutbar ist, sich außerhalb seines Wohnsitzes auf eine Klage einzulassen. So tragen etwa die besonderen Gerichtsstände für Streitigkeiten aus Vertrag (Erfüllungsort) oder Delikt (Tatort) dem Aspekt der Sachverhaltsnähe und den Klägerinteressen Rechnung. Der Kläger wird zudem regelmäßig an einem vollstreckungsnahen Gerichtsstand interessiert sein, da er dann kein gesondertes Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren durchlaufen muss, um den Titel durchzusetzen.